Wenn ich dich gefunden habe
Sie wanderten über sein Gesicht wie Wolken, die ihre Schatten werfen.
»Waren Sie eigentlich mal … bei ihr? Bei Mrs. Flood?«
Con sprang auf und umklammerte die Tischkante, als wollte er den Tisch mitsamt den Schrauben aus dem Boden reißen. »Was hat man mir unterstellt?«, bellte er Stanley an.
»Nichts, gar nichts.« Stanley zwang sich, nicht zurückzuweichen, als sich Con über den Tisch beugte. Sein Gesicht war noch röter als vorher.
»Ruhig, Con«, murmelte Rosie in ihrer Ecke.
Con setzte sich wieder hin und barg das Gesicht in den Händen. »Es heißt, ich wäre weich geworden nach der Sache mit Eugene Flood.« Seine Stimme klang gedämpft. »Nur weil ich ein anständiger, mitfühlender Mensch bin. Ich meine, ich bin stolz auf meine Arbeit. Ich habe Spaß daran. Ich würde jeden Kerl mit einem Golfschläger zu Brei schlagen – aber eine Frau? Eine hochschwangere Frau? Ich bin ein Gentleman, verflucht nochmal.« Er ließ die Hände sinken und starrte Stanley an. »Genau das ist heutzutage das Problem, Stanley. Die Leute kennen keine Grenzen mehr. Keine Hemmungen.« Sein Blick war bittend, verständnisheischend.
Stanley nickte wieder. Er wusste genau, was Con meinte.
»Sie haben Angst vor mir, nicht wahr?« Das war eine Frage, keine Anschuldigung, und es klang irgendwie verletzlich.
Stanley nickte. Hier drin, in der Gegenwart von Rosies ruhiger Autorität, fürchtete er sich nicht, aber wenn ihm Con mit einem Fünfereisen in der Hand in einer dunklen Seitenstraße über den Weg laufen würde, dann hätte er Angst. Große Angst.
Con hätte beinahe gelächelt, Stanley erkannte es am Zucken seiner Mundwinkel. »Ich bin angsteinflößend«, sagte er trotzig. »Aber ich bin ein Familienmensch. Wissen Sie, was ich meine, Stanley?«
Stanley nickte.
»Haben Sie Kinder, Stan?«
»Kinder keine, aber eine Nichte.« Er holte ein Bild von Baby Cora aus der Brieftasche und schob es über den Tisch.
Das passbildgroße Foto ging in Cons riesigen Händen förmlich unter. »Ein süßer Fratz«, sagte Con und versuchte vergeblich, ein Lächeln zu unterdrücken, als er Stanley das Bild zurückgab. Dann öffnete er seine Brieftasche, die förmlich überquoll vor Kinderfotos. Er breitete sie zwischen ihnen auf dem Tisch aus. »Das sind Kylie, Charlene, Jasmin, und natürlich Con Junior. Und das da ist Angelina, die Kleinste.«
Stanley nickte, und während er lächelnd den Anekdoten lauschte, die ihm Con über jeden seiner Sprösslinge erzählte, fragte er sich, wie er die Unterhaltung wieder auf das unangenehme Thema Eugene Flood lenken sollte. Es war Rosie, die es schließlich schaffte. »Noch fünf Minuten, Con«, sagte sie, als Con gerade seine Erzählung von einem Schönheitswettbewerb für Babys beendete, bei dem Klein Angelina bloß den zweiten Platz gewonnen hatte, was Con zu einem kleinen »Plausch« mit einem der Jurymitglieder veranlasst hatte. Dies war offenbar auch der Grund für seinen aktuellen Aufenthalt im Mountjoy Gefängnis. »Sie sollten Stanley erzählen, was Sie über Eugene Flood wissen, bevor er gehen muss.«
»Dieser verdammte Scheißkerl«, brüllte Con, aber diesmal verzog Stanley keine Miene. Er beugte sich nach vorn.
»Seine Tochter sucht ihn«, sagte er. »Sie braucht eine Niere. Er könnte als Spender geeignet sein.«
Cons Züge wurden weich, wie Stanley es erwartet hatte. Blieb nur zu hoffen, dass Con nicht sein Spiegelbild im Fenster sah, denn das hätte ihm garantiert nicht gefallen.
»Der kleine Blondschopf?«, fragte Con. Stanley nickte. Con schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wo er steckt. Wenn ich es wüsste, wäre ich schon längst dort und würde ihm höchstpersönlich den Kopf abreißen.« Das bezweifelte Stanley nicht. »Ehrlich gesagt hat der keltische Tiger viele von uns den Job gekostet. Die Banken vergeben die Kredite ja praktisch zum Nulltarif. Ich musste mein Kerngeschäft erweitern. Mittlerweile konzentriere ich mich auf Autos. Diebstahl und Verkauf. Melden Sie sich, wenn Sie mal was brauchen.«
»Es wird Zeit, Männer.« Rosie klappte ihre Zeitschrift zu und erhob sich.
Stanley spürte, wie ihn die Verzweiflung packte. »Ich weiß, es ist lange her«, sagte er, »aber gab es damals denn gar keine Spuren?«
»Ach, natürlich gab es Gerüchte, Stanley. Die gibt es in meiner Branche immer. London, Manchester, Leeds, Birmingham, Edinburgh – die kleine Ratte wurde praktisch überall gesichtet. Ich hab jeden Stein umgedreht, unter dem er sich hätte
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