Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)
Portugiesisches Portugiesisch.
»Piranhas, Krokodile und nun Delphine: Sind denn Delphine auch gefährlich?« Englisch.
»Leider haben die Delphine letzte Woche drei Reisende zerfleischt.« Englisch mit portugiesischem Einschlag.
»Und wo habt ihr sie begraben?« Portugiesisch mit meinem italienischen Akzent.
»Wir haben sie nicht begraben. Was glaubt ihr denn, wovon sich die Anakondas ernähren?« Anglo-italo-portugiesisch-sarkastisches Gelächter.
»Wie verbringt man denn so seine Abende hier im Urwald, ohne Fernseher, ohne Kneipen, ohne mal schnell wohin fahren zu können?« Englisch, mit leicht portugiesischem und leicht besorgtem Unterton.
Die Reiseleiter blinzeln dem männlichen Teil der Gesellschaft zu und breiten mit Unschuldsmiene die Arme aus: »Was kann man wohl tun, am Abend im Wald?« Das versteht man in allen Sprachen.
Prompt kommt die deutsche Ameisenkundlerin auf ihre Lieblinge zurück und beschreibt eine Art, die anscheinend auf die sexuelle Fortpflanzung verzichtet und den männlichen Beitrag zu den Geburten ad acta gelegt hat.
Die Männer brummen, die Frauen kichern.
Es wird Nacht, Andrea streicht immer noch zwischen den Bäumen vor unserer Hütte herum. Die Köchin, die ihn schon kennt, tritt zu mir und sagt: »Rufen Sie Ihren Sohn.«
»Ach, lassen wir ihn ruhig, er fühlt sich in dieser Umgebung besonders wohl.«
»Hören Sie auf mich. Wissen Sie, nachts treiben sich unter den Bäumen oft arge Schlangen herum…«
»Andreeeeeeeeee, komm sofort heeeeeeer!«
Wir schlafen in einem geräumigen Pfahlbau, unter uns winden sich Horden von Anakondas, und rundherum flitzen Affen und andere sympathische Wesen der Dunkelheit. Wir legen uns in die Hängematten, nur eine Kerze spendet uns Licht. Gute Nacht, Andre, schau, wo wir gelandet sind…
Ich sehe, dass er schlagartig einschläft. Leise knipse ich die Taschenlampe an und hole den Umschlag mit den Brieffetzen heraus. Klebstoff müsste man haben. Meine Hängematte für einen Tropfen Klebstoff!
Manaus
Die Indios haben die Kanus flottgemacht, sie rudern uns an eine Stelle des Flusses, wo wir mit den Delphinen schwimmen können. Hastig schlingen wir das Frühstück hinunter. Andrea ist schon ganz aufgeregt bei der Vorstellung, dass er diesen herrlichen Säugern begegnen wird. »Delphine schön«, sagt er, »Mädchen schön.« Es ist ein freudiger Moment.
Die Fahrt ist recht kurz, doch bei der Ankunft dürfen wir uns keineswegs einfach wie Bleiklumpen ins Wasser fallen lassen. Unser Begleiter gibt uns Anweisungen und erklärt, dass Delphine sehr misstrauisch sind, dass wir sie weder zwischen den Schulterblättern kraulen noch an der Flosse ziehen dürfen. Dann bringt er uns in aller Ruhe zu ihnen. Es gelingt uns tatsächlich, sie zu streicheln, sie sind warm wie ein Baby, man wird sofort süchtig. Wenn Andrea könnte, würde er wohl am liebsten einem von ihnen auf den Rücken klettern und bis nach Patagonien reiten. Ich habe Mühe, ihn davon abzuhalten. Bruder der Delphine, Kommandant eines Wals: Wäre das ein gutes Leben für ihn, das, wonach er sich sehnt?
Leicht wie Wasserflöhe gleiten wir zurück. Mehrere Boote begegnen uns, wir schwenken die Arme zum Gruß und blicken noch lange der einen oder anderen Gestalt nach, die in der Gegenrichtung verschwindet und sich vielleicht fragt, wer du bist, wohin du gehst und ob es je ein Wiedersehen geben wird.
Im Dorf ist schon der Tisch gedeckt, wieder erwartet uns dieses Mehl, das unbeschreiblich schmeckt. Du nimmst eine Prise in die Hand, es ist staubig und trocken, du kostest es, schluckst es hinunter und nimmst gleich noch mal davon, verwundert, dass einfaches Mehl so köstlich sein kann. Es ist das Spezialmehl aus Manaus, sagen sie. Für uns ist es das Abschiedsessen, wir kehren in die Stadt zurück, während andere weiter in den Urwald vordringen. Wir verabschieden uns von allen sehr herzlich.
Ich suche Maria, sie beobachtet uns von weitem, und als wir versuchen, uns zu nähern, läuft sie lachend davon.
Zwei Stunden im Kanu, eine Stunde mit dem Boot, und schon sind wir wieder in Manaus. Das Reisebüro verspricht seinen Kunden zum Abschied eine luxuriöse Dusche. Das Angebot lassen wir uns nicht entgehen. Sauber und parfümiert besichtigen wir sodann die Stadt mit ihren Kais voller Bananen – grüne Stapel, so weit das Auge reicht. Der Fischmarkt ist so groß wie ein Fußballfeld, einer der wichtigsten von ganz Südamerika, heißt es. Unglaublich viele sonderbare Menschen sind hier
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