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Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Titel: Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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entspricht. Einsamkeit entsteht nur, wenn Du nicht genug atmest, wenn Du Veränderungen nicht bemerkst und wenn Du einen einzigen Traum hast, der jede Nacht in Deinem Kopf anklopft. Ich schreibe Dir also nicht, weil ich mich allein fühle. Ich schreibe Dir und würde gern mit Dir sprechen, um Dir zu sagen, dass Du nicht allein bist. Dass Du diese falsche Vorstellung loslassen sollst. Wenn Du Dich selbst liebst, liebst Du das Leben, und das Leben lässt uns nie allein. Manchmal sind wir müde, ja, aber nie allein.
    Joana, die Mutter Deiner Mutter
    Wenn du dich selbst liebst… Wird es Andrea je gelingen, sich selbst zu lieben?
    Lautlos wie ein Geheimagent versuche ich, in der Küche das Frühstück vorzubereiten, und schraube die Espressomaschine zu wie Schalldämpfer und Pistole.
    Angelica erscheint, sie sagt nichts, will nur Milch. Während ich das Milchtöpfchen aufs Feuer stelle, werfe ich ihr unwillkürlich einen fragenden Blick zu. Gewissenhaft rückt das Mädchen die Tasse, das Löffelchen und die Serviette zurecht. Ich halte es nicht mehr aus: »Wie war’s?«
    Langsam rührt Angelica den Zucker um, und ich werde schon fast ärgerlich. Nach langem Schweigen sagt sie: »Andrea kennenzulernen war eine schöne Erfahrung.« Sie schaut mich mit klaren Augen an. Ich würde ihr gern Fragen stellen, auf die Andrea mir niemals antworten würde, doch dann beherrsche ich mich, das wäre wirklich zu viel, und wahrscheinlich ist es auch gar nicht wichtig.
    »Heute Nacht fliegen wir zurück.«
    »Odisseu hat es mir gesagt.«
    »Vielleicht kommen wir ja bald mal wieder.« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Andrea ist aufgestanden und ins Bad gegangen, ich höre Geräusche, irgendetwas ist ihm heruntergefallen. Ich rufe ihn.
    Andrea betrachtet Angelica, sein Verhalten ist seltsam, sein Blick fragend. »Andrea«, sage ich, »verabschieden wir uns von Angelica? Willst du ihr ein Andenken geben?«
    »Andenken für Angelica.«
    »Was möchtest du ihr hierlassen?«
    »Ein Andenken.«
    »Dein Armband? Ist das okay?«
    »Okay.«
    Ich helfe ihm, es abzunehmen und um Angelicas Handgelenk zu legen. Sie rührt sich nicht und sieht Andrea eine Weile an.
    »Andrea, warum begleitest du Angelica nicht bis zum Gartentor?« Ich will, dass sie noch einen Augenblick für sich haben.
    Während sie hinausgehen, bleibe ich regungslos sitzen. Der Abschied schmerzt mich, und Andrea sagt vielleicht nur ganz normal »ciao«, so wie jeden Tag.
    Von außen gesehen. Aber innen?

Morgen
     
    Der Tag dauert eine Minute oder hundert Stunden, wir wissen es nicht. Wir fangen an aufzuräumen. Ich bestehe darauf, dass Andrea mir hilft, unsere treuen Rucksäcke zu packen. Als wir fertig sind, setzen wir uns auf die Veranda, das Wetter ist bewölkt. Ich versuche ihn zu fragen, wie das für ihn ist, nach der langen Reise zurückzukehren, wieder in die Schule zu gehen, die Mama, den Bruder, unseren fliegenden Hund Filippo wiederzusehen. Andrea ist heute überaus präsent, ich habe den Eindruck, mich wirklich mit ihm zu unterhalten.
    Letzte Abschiede, letztes Essen, gekocht von Odisseu, der uns anschließend an den Flughafen fährt. Vier Stunden Verspätung. Morgen sind wir dann wirklich zu Haus.
    In meinem Gemüt ziehen Wolken auf, ich weiß nicht, warum. Vielleicht ist es das Flugzeug, das Gerüttel, die Luftlöcher. Bestimmte Gedanken, die ganz oben im Regal lagen, sind heruntergefallen.
    Ich denke an etwas Unvermeidliches: Andreas Mutter und ich werden eines Tages sterben. Und die ebenso unvermeidliche Folge wird sein, dass Andrea noch mindestens dreißig Jahre allein auf dieser Erde lebt. In seiner Indianerwelt, seinem Reservat. Er ist gesund und kräftig, wirklich ein schöner Junge, es ist gut möglich, dass er bei bester Gesundheit hundert Jahre alt wird.
    Es ist also anzunehmen, dass Andrea in irgendeiner Einrichtung landet: Speisesaal, Regeln, Medikamente. Ohne echte Beziehungen, ohne echte Zuneigung. Umgeben von einer Einsamkeit, die noch zu seiner eigenen hinzukommt. Sich damit abzufinden ist nicht leicht. Jetzt habe ich noch Energie und genügend Geisteskraft, um meine Existenz um seine kreisen zu lassen. Doch die Zeit ist keine Verbündete, es wird nicht der Tag kommen, an dem es Andrea plötzlich gelingt, seine Welt mit dieser Welt in Einklang zu bringen. Der Tag, an dem er mich auf einer Parkbank sitzen sieht, sich mit seinem verschmitzten Lächeln heimlich anschleicht und sagt: »Alles klar, Papa, du kannst jetzt gehen, wohin du willst, ich komme

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