Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Angehörigen nicht, niemand.«
»Ich verstehe es einfach nicht.« Die Tränen flossen schneller. »Das Ganze ist ein Albtraum. Ich habe nichts Unrechtes getan.«
»Das will ich Ihnen auch gar nicht unterstellen.« Anya sah ihr fest in die Augen. Laut Statistik wurde fast jede dritte Frau Opfer eines sexuellen Übergriffs, doch die meisten Vorfälle gelangten nicht zur Anzeige. Die Frage durfte nicht ungestellt bleiben. »Hatte jemand ohne Ihr Einverständnis Sex mit Ihnen?«
Die Frau trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch. »Eine Vergewaltigung meinen Sie? Nein! So etwas hätte ich doch gemerkt.«
»Nicht notwendigerweise«, machte Anya deutlich. Es war möglich, dass man sie betäubt hatte und sie sich nicht an den Vorfall erinnerte. »Haben Sie vielleicht Junggesellinnenabschied gefeiert? Waren Sie aus?«
»Ich war nur mit meiner Schwester und ein paar Freundinnen in einer Pizzeria ums Eck. Und keine von uns hat sich betrunken, falls Sie das meinen.«
»Gab es in den letzten beiden Monaten irgendeine Gelegenheit, bei der etwas passiert sein könnte? Hat Ihnen jemand einen Drink gegeben? Können Sie sich an Teile des vorangegangenen Abends nicht erinnern, obwohl Sie kaum etwas getrunken haben?«
Hannah starrte auf den Teppich und knüllte das Taschentuch in den Fingern. »Vor der Hochzeit bin ich jeden Tag ins Fitnesscenter gegangen. Ich habe sechzehn Kilo abgenommen, damit ich ins Kleid passe. Wir haben alles aus eigener Tasche bezahlt; wir gingen rund sechs Monate nicht aus, bis wir das Geld zusammengespart hatten. Ab und zu war Brett abends mit seinen Freunden im Pub, aber ich blieb daheim. Ich bin ohnehin diejenige, die das Geld zusammenhält – wenn ich nicht wäre, würde Brett alles, was er verdient, sofort wieder ausgeben.«
»Gab es eine Betriebsfeier?«
»Mit den Kollegen im Büro habe ich nicht viel am Hut. Die meisten von denen glauben, ein gelungener Abend bestehe darin, sich besinnungslos zu besaufen und mit jemandem ins Bett zu gehen, den man nie wieder sieht.«
Anya konnte nachvollziehen, weshalb Hannah es vorzog, ihre Abende zu Hause zu verbringen.
»Erzählen Sie mir von der Hochzeit.«
Hannah lehnte sich auf der Couch zurück, und ihre Schultern entspannten sich. »Es war genau wie ich es mir immer erträumt hatte, abgesehen vom Regen. In meinem Brautstrauß steckten dunkelviolette Iris, und Brett sah unglaublich gut aus. Der einzige Wermutstropfen war, dass uns kaum Zeit blieb, etwas zu essen, weil wir so damit beschäftigt waren, uns um unsere Gäste zu kümmern und darauf zu schauen, dass sich alle gut amüsierten.«
»Hatten Sie denn wenigstens ein Gläschen Champagner zum Anstoßen?« Anya dachte an ihre eigene, ausgesprochen unzeremonielle Hochzeit ohne Angehörige oder Freunde zurück.
»Wenn ich so überlege, doch, ein Glas Wein habe ich während der Feier getrunken, aber weil ich nichts gegessen hatte, stieg er mir furchtbar zu Kopf.«
Anya warf einen Blick zur Tür. Brett konnte jeden Moment zurückkehren.
»Was geschah dann?«
»Um ganz ehrlich zu sein, an viel kann ich mich nicht erinnern. Anfangs war ich furchtbar nervös, aber dann hat Brett mich ausgezogen. Ich weiß, dass wir uns geliebt haben, weil am nächsten Morgen Blut auf dem Laken war und ich«, sie senkte die Stimme, »da unten ganz wund war.«
Diese Bemerkung ließ Anya aufhorchen.
»Erinnern Sie sich daran, wie Sie miteinander schliefen?«
»Brett erzählte mir, die Diät und der Stress hätten mich so geschlaucht, dass ich eingeschlafen bin. Ein bisschen dumm komme ich mir dabei schon vor – was ist denn das für eine Braut, die sich nicht an ihre Hochzeitsnacht erinnert?«
Das fragte Anya sich auch. Hannah stiegen wieder die Tränen in die Augen.
»Wir haben im Bett gefrühstückt, und er hat nicht versucht, noch einmal mit mir zu schlafen. Ich muss ihn enttäuscht haben. Meine Mutter sagt immer, in der Hochzeitsnacht wird eine Ehe begründet oder zerstört. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich es verdrängt habe.« Ihre Stimme verlor sich. »Aber wenn Brett sich einmal einer Sache verschreibt, dann gibt es kein Zurück.«
Das klang reichlich sonderbar aus dem Mund einer frischgebackenen Ehefrau.
»Welchen Sachen hat er sich denn noch verschrieben?«
»Unserem Footballclub. Für den spielt er seit der Highschool, und das Team ist eine richtig eingeschworene Gemeinschaft. Am Anfang habe ich das nicht verstanden, aber da herrscht ein totales Zusammengehörigkeitsgefühl, und er hat
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