Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
lähmte sie, ohne dass sie sie zurückhalten oder begrenzen konnte. Was würde nun passieren? Wie genau würde dieser nahende Moment alle kommenden beeinflussen? Würde es danach überhaupt noch weitere Momente geben, die sie – lebend – erlebte?
„Ihr solltet besser reingehen …“, sagte Jonathan, den Blick zwischen Feldweg und Baumgeflecht hin- und herflatternd.
Marah sah von ihm, zu ihr und zum Feldweg. „Du könntest Hilfe brauchen.“
Sein Kopf zuckte seitlich. „Hältst du mich für so unfähig?“
Über sein angespanntes Gesicht huschte der Anflug von Verletzlichkeit.
„Jo …! Du weißt nicht mit wem oder wie vielen du es zu tun hast! Ein einzelnes Messer wird nicht unbedingt ausreichen.“
Er mahlte mit dem Kiefer. „Wenn ich nicht hier bin, um euch zu beschützen, warum bin ich dann überhaupt hier?“
„Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um …“, Marah verstummte schlagartig und sah Richtung Feldweg.
Das Geräusch eines Autos war zu hören. Motorbrummen. Räder, die über Erde und Geäst rollten. Eine feine Staubwolke brach zwischen dem Wald hervor – gefolgt von einem schwarzen BMW.
Gwen bemerkte, dass Marah die Augen schloss, tief durchatmete und sich konzentriert anspannte. Eine warme Luftwoge ging von ihr aus, die sie, und auch Jonathan, in sich einzuhüllen schien, wie eine unsichtbare Wolke.
Knirschend kam der Wagen einige Meter von ihnen entfernt zum Stehen. Sonnenlicht spiegelte sich auf der Windschutzscheibe, sodass sie die Person, die am Steuer saß, nicht genauer sehen konnten. Einzig eine dunkle, kräftige Silhouette, die das Lenkrad umklammert hielt, war zu erkennen.
Angespannt harrten sie aus: Jonathan, das Messer erhoben, im Ausfallschritt; Marah, die Augen wieder geöffnet, aber immer noch hochkonzentriert; sie selbst von einer Gänsehaut überzogen und starr an den Boden geheftet.
Die Autotür wurde aufgestoßen, schwarze Schuhe und ein schwarzes Hosenpaar kamen zum Vorschein, gefolgt vom Rest eines männlichen Körpers.
Es war Nikolaj. So, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, stand er vor ihnen. Schwarzer Anzug, darüber ein langer Mantel, dessen Schmutzspuren sie ihm zugefügt hatte. Allerdings waren da noch andere Flecken, die nicht nach Erde und Matsch aussahen, sondern mehr wie eingetrocknete Flüssigkeit – wie … Blut?
Er verpasste der Tür einen Schubs und kam näher. Langsam und bedächtig, den Blick unmissverständlich auf sie gerichtet – jedoch keineswegs gleichsam unmissverständlich und klar deutbar in seinem Ausdruck.
Es war ihr unmöglich sich zu bewegen. Seinen Blick erwidernd stand sie da, mit all ihren Gefühlen ringend, die bei seinem Anblick an die Oberfläche drängten.
Als Nikolaj ein weiteres Stück näherkam, trat Jonathan ein Stück vor und gab ein warnendes Knurren von sich. „Mach noch einen Schritt und du hast die längste Zeit deiner Existenz in einem Stück verbracht!“
„Jo … bleib hier stehen …“, mahnte Marah ihn zischend.
Nikolaj fasste ihn unbeeindruckt ins Auge. „Ich hab es nicht gern, wenn man mich aufs Kreuz legt –
Krankenpfleger
.“
„Und ich hab es nicht gern, eine Visage deiner Spezies vor mir zu haben –
Sensat
“, erwiderte Jonathan. Man konnte deutlich den Hass heraushören, den er empfand.
In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie wollte nicht, dass Marah oder Jonathan etwas passierte, dass einer von ihnen verletzt wurde. War das zu befürchten? Warum war er hier? Wie hatte er sie gefunden?
Nikolaj trat abermals vor, ebenso wie Jonathan, das Messer erhoben und vor sich haltend. „Ich hab dich gewarnt, Sensat!“
„Jonathan, nicht …“, flüsterte sie mit heiserer Stimme. „Er kann …“
Nikolaj zog den Blick von seinem Gegenüber ab und richtete ihn erneut auf sie. Seine Augen blitzten, der Rest des Gesichts blieb starr. Dennoch machte er einen gekränkten und getroffenen Eindruck auf sie. Etwas in seinen Augen schrie lautstark, auch, wenn er stumm blieb.Ohne dass irgendjemand etwas tun oder richtig reagieren konnte, schnellte Jonathan plötzlich nach vorne und stürzte sich samt Messer auf Nikolaj.
Sie hörte ihren eigenen Schrei und auch Marah entfuhr ein kurzer Laut, der verdächtig nach einem „verdammt“ klang. Eine Sekunde später wurde klar, dass jemand von ihnen ohne Probleme hatte reagieren können – vielleicht, weil er, anders als sie, damit gerechnet hatte.
Mit einem Satz sprang Nikolaj zur Seite und entzog sich der nahenden Klinge. Daraufhin trat er Jonathan die
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