Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
trotzdem die Richtige für diesen Job war. Andernfalls hätte Hekate sich eine andere Hexe gesucht – oder? Vielleicht war aber auch niemand sonst bereit gewesen, sich in dieses „Abenteuer“ zu stürzen. Sie wusste selbst nicht ganz, warum sie es getan hatte – und auch noch beabsichtigte, nachdem was sie in Erfahrung gebracht hatte. Ihr war, als wäre dies etwas, dem sie sich nicht entziehen konnte, weil es für sie persönlich wichtig und bedeutsam war.
Sie schüttelte sich abermals, weil sie schon wieder in ihren Gedanken eingesunken war, wie in Treibsand. Jetzt war es wirklich an der Zeit sich zu sammeln, den Erdboden abzugehen und seine Energie zu erspüren. Allerdings glaubte sie nicht, dass das Haus von schlechter oder geringer Kraft umgeben war. Immerhin war es Simons Haus gewesen.
Sie atmete tief durch, entfernte sich einige Schritte vom Gebäude und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden sinken. All die Gedanken, die immer wieder an die Oberfläche und in den Vordergrund drängten, ließ sie gewähren, ohne sie gezielt zu beachten. Sie stellte sich vor, sie seien Blätter, die der Wind durch die Luft wehte. Womöglich berührten sie einen, glitten über seine Haut, doch dann verschwanden sie wieder. Sie spürte, wie sie innerlich ruhiger wurde, wie sich ihr Innenraum größer, weiter und klarer anfühlte. Jeden Atemzug tief und bewusst machend, konzentriere sie all ihre Aufmerksamkeit auf ihre Brust, auf ihr Herz, ließ all ihren Fokus dort zusammenfließen und zentrierte sich.
Nachdem sie sich in sich selbst ruhend fühlte, dehnte sie ihre Wahrnehmung nach unten, in den Boden aus. Beständigkeit und Stabilität wogten ihr entgegen und vermittelten ihr ein Gefühl von Stärke und Standfestigkeit. Der Geruch von Erde, Moos und Wald kroch ihr in die Nase – sie sog ihn willkommen durch die Nase ein und entspannte sich immer mehr, spürte, wie Verspannungen von ihrem Körper fielen und alle Muskeln weicher wurden.
Unwillkürlich verharrte sie eine Weile in dieser angenehmen Verbindung. Es nährte sie ungemein und es konnte sicherlich nicht schaden, ihre Kraftreserven großzügig aufzutanken, ehe sie mit dem eigentlichen Zauber loslegte.
Plötzlich drückte etwas gegen ihre Wahrnehmung. Nicht in nächster Nähe, sondern in gedehnterem Radius. Etwas, das sie verkrampft innehalten und die Augen aufschlagen ließ.
Jemand war auf dem Weg zu ihnen. Jemand kam näher und näher. Jemand, der kein Mensch war. Vielleicht auch mehrere Nicht-Menschen.
Verdammt … sie hätte sich keine Zeit lassen dürfen. Sie hätte noch gestern Nacht einen Kreis ziehen müssen. Verdammt, verdammt, verdammt!!
In rasendem Tempo rekapitulierte sie, dass sich Gwen außerhalb, Jonathan innerhalb des Hauses befand. Sollte sie Gwen suchen – oder sollte sie Jo nach draußen rufen?
Eine Sekunde … noch eine … und noch eine …
„Jo! Jo!!“ Sie drückte sich vom Boden, sprintete zur Haustür und schrie aus voller Kehle. „Jo!! Jemand hat uns gefunden! Jo!!“
Es dauerte nur ein paar Sekunden, ehe Jonathan angerannt kam – den ganzen Körper angespannt, das Gesicht zu einer stählernen Miene verzogen und ein Messer in der Hand haltend. Er sah kampfbereit aus und zeitgleich als ob er nicht genau wusste, was er tat – oder tun sollte. „Wer ist es?! Wie konnte er uns finden?“
„Ich weiß es nicht. Aber es ist kein Mensch.“
„Was ist mit dem Zauber?“
„Ich war noch nicht so weit …“, gab sie resignierend zurück.
Jo nickte lediglich und eilte durch die Tür nach draußen.
ZEHN
Gwens Herzschlag verfiel ruckartig in ein schnelleres Tempo. Wie Pferdehufe hallte es in ihren Ohren und ihrer Brust wider. Sie stand auf und lief zurück zur Vorderseite des Hauses. Ihr Blick glitt Richtung Wald und versuchte durch die Zwischenräume des Grüns zu spähen. Da war etwas. Sie spürte etwas – spürte
jemanden
. Eine Gewissheit, die sich nicht belegen oder erklären ließ, aber dennoch präsent war, wie etwas Greifbares.
„Gwen!“
Marah und Jonathan kamen auf sie zugelaufen. Dem Gesichtsausdruck beider nach zu urteilen, spürten auch sie etwas – oder jemanden. Die endgültige Gewissheit ihrer Vermutung gab ihr das Messer, das Jonathan in der Hand hielt. Dies war nicht irgendein Moment, sondern einer, der einen Unterschied machen und alles verändern konnte.
Diese Erkenntnis, verbunden mit dem Anblick den die beiden boten, bewegte etwas in ihr. So, als würde ein Schalter umgelegt werden. Angst durchflutete und
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