Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch

willst du arbeiten und danach gehst du ein Jahr nach Australien?«, fragte Paps. »Da kommst du ja mitten im Wintersemester zurück. Hast du dir das auch gut überlegt? Die meisten Studiengänge fangen im Herbst an. Du verlierst also nach deiner Reise noch zehn Monate, bis du studieren kannst.«
    »Wer sagt denn, dass ich ein Jahr nach Australien will?«, knurrte Flocke. »Ein halbes Jahr reicht ja wohl auch.«
    Nur ein halbes Jahr??? Paps war über diese Planänderung genauso erstaunt wie ich. Aber Flocke wollte uns das nicht genauer erklären. »Ich habe meine Gründe«, sagte er nur.
    Ha! Ich wette, dass ich diese Gründe ziemlich gut kenne. Sie sind vermutlich eng mit mir befreundet und tragen heute Abend ein blaues Kleid. Bruder, du bist süß!
    10.30 Uhr  Habe mir eben ein Croissant geholt und es mit ins Bett genommen. Blöd nur, dass die Dinger so krümeln. Aber ich habe heute keine Lust auf ein Familienfrühstück, ich will noch ein bisschen von gestern träumen.
    Um drei Uhr sind alle Marathonboykotteure brav in der Schule angerückt, um Schränke zu entrümpeln, Gänge zu schrubben und Müll im Pausenhof zu sammeln. Das war allerdings keine große Sache. Wenn dreihundert Leute anpacken, bleibt für den Einzelnen nicht mehr viel Arbeit übrig. Wir haben versucht, dabei nicht allzu viel herumzualbern, sondern abgekämpft undgenervt auszusehen, um dem Maki zu seinem Triumph zu verhelfen. Jetzt kann er heute Abend seiner Frau erzählen, wie konsequent und pädagogisch wertvoll er mal wieder gehandelt hat. Vielleicht ist er dann ab Montag genießbarer.
    Beim Abendessen gab es dann noch Neuigkeiten von Rosalie und ihren beiden Verehrern. Sie hat Niklas und Moritz heute mitgeteilt, dass sie denjenigen heiraten wird, der am nettesten zu ihr ist. Und wer sie ärgert oder haut, den nimmt sie nicht, der hat verloren. Das ist inzwischen also eine Win-win-win-win-Situation: Eindeutig gewonnen hat Rosalie. Sie wird jetzt von zwei Jungs auf Händen getragen. Aber die beiden Jungs sind Gewinner zwei und drei. Sie lernen Manieren und fallen in der Schule nicht mehr unangenehm auf. Und die Lehrerin ist Gewinnerin Nummer vier, sie ist vermutlich sehr stolz auf den Erfolg ihres Projekts. Es gibt in dieser Angelegenheit aber noch einen heimlichen fünften Gewinner: Paps. Die Idee, den Nettesten zu heiraten, stammt nämlich von ihm. Er bildet sich jetzt unheimlich viel auf seine Konfliktlösungskompetenz ein.
    10.45 Uhr  So. Habe noch schnell eine SMS an Tom geschrieben, damit er einen Gruß von mir hat, wenn er aufwacht. Jetzt geht’s weiter mit dem Abschlussball.
    Nach dem Abendessen kamen Dana und Maiken zu mir und wir haben uns hier in meinem Zimmer gestylt. Natürlich brauchten wir dazu auch das Bad, aber das war dauernd von Flocke besetzt. Dana und Maiken haben ja keine Brüder, die dachten bis zum gestrigen Tag, dass nur Mädchen stundenlang Badezimmer blockieren. Wie sie jetzt wissen, sind Jungs da aber überhaupt nicht anders. Wir konnten Flocke nur unterAndrohung der schlimmsten Strafen vom Spiegel weglocken. Dana hat irgendwann gedroht, wenn er jetzt nicht rauskomme, dann würde sie das Foto ins Internet stellen, auf dem er Rosalies Kükenkostüm trägt. Das hat gewirkt.
    Kaum war er draußen, sind wir ihn aber nicht mehr losgeworden. Dauernd kam er unter einem Vorwand bei mir rein und musste verjagt werden. Er sollte doch Danas Kleid erst sehen, wenn sie fertig war. Es war also ziemlich anstrengend mit ihm.
    Irgendwann hatte er dann aber plötzlich Zeitdruck und verbreitete Panik. Er stellte nämlich fest, dass sein dunkler Anzug von oben bis unten voll mit weißen Primelhaaren war. Und außerdem hatte Rosalie aus seiner einzigen Krawatte den Krawattenknoten gelöst, den Flocke immer drin lässt und zum An- und Ausziehen nur ein bisschen erweitert, um rein- und rausschlüpfen zu können. Er kann nämlich keinen Krawattenknoten binden.

    Paps hat ihn dann unter seine Fittiche genommen und es war ein schöner Anblick, wie er seinen erwachsenen Sohn mit einer Bürste von Fusseln befreite und ihm dann die Krawatte band. Wir haben das natürlich fotografiert und drohen Flocke nun auch hier mit einer Internetveröffentlichung.
    Wir drei Mädels ließen uns von Florians Chaos nicht anstecken. Wir haben uns ganz in Ruhe gegenseitig frisiert und geschminkt und zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit waren WIR fertig. Flocke nicht. Er hat es aber dann auch auf die Minute genau geschafft.
    Und dann kam der große Moment. Es