Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
klingelte an der Tür, Tom und Felix standen draußen. Flocke führte die beiden ins Wohnzimmer, riet ihnen aber dringend davon ab, sich zu setzen, wenn sie nicht auf Hundehaarlook stünden. Sie blieben also stehen und warteten auf uns. Und dann schritten wir Mädels zu dritt die Treppe herunter, eine in Brombeer, eine in Dunkelblau, eine in Mangoeis-mit-Sahne-Gelb.
Die drei Jungs waren wirklich angemessen ergriffen, als sie uns sahen. Und Primel leider auch. Fast hätte sie mir vor lauter Begeisterung im letzten Moment noch Laufmaschen gerissen.
In diesem Chaos ging es ein bisschen unter, dass auch wir Mädels beeindruckt von den Jungs in ihren Anzügen waren. Tom im weißen Hemd und dunklen Blazer, wow! Das ist schon ein Anblick, bei dem ich wirklich watteweiche »Gnie« bekomme.
Als wir aus dem Haus kamen, standen dort ganz filmreif drei dunkle Limousinen bereit. Na gut, Limousinen waren es nicht, Autos eben. Und besonders ökologisch war das auch nicht, aber tatsächlich fuhren alle drei Paare getrennt zum Ball. Keiner der Väter hatte es sich nehmen lassen, seinen Sohn samt Tanzpartnerin zu chauffieren.
»Du siehst toll aus, mein Sonnenschein«, flüsterte Tom mir im Auto zu. Das half mir ein bisschen über den Schock hinweg, der mich beim Aussteigen traf. Da stand nämlich Vicky. Vorm Ballsaal. Eine Stunde vor dem offiziellen Ballbeginn. Und auch noch in Schweinchenrosa, uääääh. Sie hatte die Connections ihrer Eltern genutzt, um ebenfalls mit ihrem Partner (Fabi) an unserem Fotoshooting teilnehmen zu dürfen. Ihre Eltern kennen offenbar den Besitzer des Bahnhofs.
»Oh, Lilia, interessantes Kleid«, säuselte Vicky, als ich ausstieg und Tom mir den Arm reichte. »Wie nennt man denn die Farbe? Rührei?«
Grmpf. Aber die Farbe meines Kleides war auf jeden Fall besserals die von Vickys. Rein farblich passte sie nämlich überhaupt nicht zu uns anderen und der Fotograf ordnete deswegen an, dass sie nur bei den Außenaufnahmen mitwirken sollte. Und »Außenaufnahmen«, das Wort war ziemlich übertrieben. Dabei handelte es sich um ein einziges Foto auf der Eingangstreppe, auf dem Vicky ganz hinten stand. Auf den Bildern, auf denen wir mit schwingenden Röcken Walzer tanzen, ist sie nicht mit drauf.
Nein, ich bin nicht hämisch. Fast wäre ich es gewesen, aber als ich gerade damit anfangen wollte, hat Maiken mich geschubst und gesagt, dass hämische Gedanken das Karma vergiften. Und das will ich natürlich nicht riskieren. Nicht wegen Vicky. Deswegen bin ich jetzt einfach nur froh, dass auf diesen wunderschönen Fotos nur meine allerbesten Freunde drauf sind. Ich werde mir eins davon übers Bett hängen.
11.15 Uhr Nach dem Fotoshooting kamen nach und nach alle anderen Ballgäste an und die Band begann mit leiser Hintergrundmusik.
Diese Musik, das Gläserklirren, das gedämpfte Stimmengewirr, Toms Hand an meiner Taille, das war, ja also, dafür gibt es schon wieder kein Wort in unserer Sprache. Hmmm, wie nenn ich das? Auf jeden Fall glitzerte da in mir ganz viel Glück herum, so wie die Bläschen in meinem Sektglas.
Constanze hat uns dann alle offiziell begrüßt, die Jungs haben uns mit einer angedeuteten Verbeugung zum Tanz aufgefordert und wir haben den Ball mit einem langsamen Walzer begonnen. Und dabei passierte es dann. Ich entdeckte die SurroundGefühle. Der Raum verschwamm vor meinen Augen, ich sah nur noch Tom, roch den Duft seiner Haut und fühlte seineHand an meinem Rücken, die mich hielt. Und alles, was ich sah und fühlte und hörte, kam plötzlich aus allen Richtungen. Surround eben. Dabei war ich glücklich und traurig, mutig und ängstlich, unwissend und weise zugleich. Und ich hatte plötzlich keine Fragen mehr.
Wann können wir endlich mal allein sein, Tom und ich? Abwarten! Wie machen wir das mit Schule und Freunden und Alltag und Liebe? Das wird sich zeigen! Sex ja, nein, vielleicht? Tom und ich, wir kriegen das schon hin! Als die Walzermusik verklang, zog Tom mich an sich und küsste mich. Ich bin sicher, er fühlte in diesem Moment auch Surround-Gefühle.
In einem Film hätte Tom in diesem Moment vielleicht geflüstert, dass ich die Liebe seines Lebens sei und er sich vor Begierde förmlich nach mir verzehren würde. Im echten Leben war ich so was von dankbar dafür, dass er DAS nicht sagte.
11.30 Uhr Moment, jetzt muss ich Tom schnell noch eine SMS schreiben, er soll doch genauer wissen, wie toll ich den Abend und vor allem ihn gestern fand. So. Fertig.
Maiken und Felix
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