Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
und verriegelte augenblicklich die Türen. Jetzt, wo das Gebrülle lediglich gedämpft zu hören war, wirkte die Frau eher lächerlich mit ihrer Kunstlocke und der bescheuerten Regenjacke. Die Riesenaugen hinter der roten Brillenfassung taten ein Übriges. Entschlossen gab Harald Gas und fuhr an der Durchgeknallten vorbei, die noch
mit ihrer Einkaufstasche auf seinen Seitenflügel einschlug, dann aber glücklicherweise aus dem Sichtfeld verschwand.
Schnell nahm Harald die nächste Auffahrt und gelangte über eine Serpentine in das darüber liegende Geschoss. Ab hier begannen offenbar die »normalen« Parkplätze, verbunden mit einem digitalen Wegweiser, der rot leuchtete und Harald in Kenntnis setzte, dass auf diesem Stockwerk sämtliche Parkbuchten besetzt waren. Unter »freie Plätze« stand eine »2«, was wohl bedeutete, dass es irgendwo in diesem Parkhaus noch zwei Parkplätze geben musste. Aber auch im nächsten und im übernächsten Geschoss sah es nicht besser aus. Auf der vierten Parkebene setzte sich ein 7er BMW vor Harald, der aber natürlich auch nichts fand. Hintereinander kreisten die beiden Wagen durch die Serpentinen. Auf der letzten, der achten Ebene schließlich war die Digitalanzeige grün. Hier musste jetzt irgendetwas sein. Der BMW und Haralds Epremo fuhren über das Dach des Parkhauses – und tatsächlich, am Ende des Decks waren zwei nebeneinander liegende Buchten frei. »Ende gut, alles gut«, sagte sich Harald, der während der gemeinsamen Durchquerung des Parkdschungels zu dem anderen Wagen schon eine gewisse Vertrautheit entwickelt hatte. Da war es doch nur gerecht, dass nun die beiden Leidensgenossen, die eine gemeinsame schwere Zeit miteinander verbracht hatten, am Ziel der Reise nun auch beide belohnt wurden...
Noch während er den Gedanken nicht ganz zu Ende gebracht hatte, traute Harald seinen Augen nicht. Der Fahrer des BMWs lenkte seinen dicken Schlitten in die Mitte der beiden Parkbuchten, offenbar so, dass er zu beiden Seiten genügend Abstand hatte, damit niemand seiner Nachbarn
den kostbaren Speziallack zerkratzen konnte. Unter normalen Umständen hätte man das vielleicht akzeptieren können, aber nicht in einem bis an den Rand gefüllten Parkhaus.Was zu viel war, war zu viel. Harald stoppte, sprang aus dem Wagen und rief zu dem Mann, der gerade seinen Wagen verließ: »He Sie, parken Sie ordentlich ein, ich will in die rechte Lücke!« Der BMW-Fahrer, ein graumelierter Endvierziger mit piekfeinem Anzug, schaute Harald kurz mit ausdruckslosen, kalten Augen an. Unmerklich schüttelte er den Kopf und ging dann schnellen Schrittes zum Ausgang. Harald konnte diesen Abgrund an Arroganz kurze Zeit gar nicht fassen, dann brüllte er los: »Du miese Ratte, komm zurück, wenn du ein Mann bist, ich schlag dir sonst den Wagen kurz und klein...«
Vergebens: Der Graumelierte war verschwunden und mit ihm jede Hoffnung auf den letzten Parkplatz. Harald schnappte nach Luft. Die Parkaufsicht, Polizei, Stadtverwaltung, Ordnungsamt, der Sicherheitsrat – irgendjemand musste ihm doch helfen, aber es hatte alles keinen Sinn. Harald gestand sich ein, dass er verloren hatte, und setzte sich wutschnaubend auf seinen Fahrersitz. Er atmete tief und resigniert durch, dann fuhr er mit versteinerter Miene die acht Serpentinen wieder abwärts, wobei er sich aufgrund schlechter Ausschilderung mehrfach verfuhr. Einen freien Parkplatz sah er jedoch auch auf diesen Umwegen nicht. Schließlich stand er vor der Ausfahrtsschranke und warf den gelben Coin ein.
Was Harald nicht bedacht hatte, war, dass er sich jetzt bereits länger als eine Viertelstunde in dem Parkhaus befand und er damit zu einem kostenpflichtigen Parker geworden war. Darauf wies ihn nun dezent das Display der Ausfahrtschranke
hin, das von ihm eine »gültige Parkmarke« verlangte. Harald stöhnte auf und sah sich um. Es wunderte ihn kein bisschen, dass ausgerechnet jetzt drei Fahrzeuge hinter ihm anhielten. Er machte eine Winkbewegung zu seinem Nachfolger, der das jedoch mit einem wilden Hupkonzert beantwortete. Es war auch sinnlos, weil das nachfolgende Auto wiederum durch ein nachfolgendes blockiert wurde. Die Fahrspur war hier kurz vor der Ausfahrt eher eine enge Fahrrinne, man konnte daher den Wagen nicht mal seitlich abstellen. Harald hievte sich aus seinem Fahrzeug und schaute ratlos umher, das laute Hupen und die aus den Fenstern gezischten Verwünschungen ignorierend. Ganz am anderen Ende des Decks stand der Kassenautomat.
Harald
Weitere Kostenlose Bücher