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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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Ohrfeigen kassiert hätte. Haralds Problem ist damit jedoch keineswegs gelöst. Er kann
den lästigen Synchronfahrer nur abschütteln, wenn es ihm gelingt, ihn hinter einen holländischen Wohnwagen zu manövrieren und dann unter Missachtung aller Verkehrsregeln abzuhängen. Allerdings wird der Synchrone dann spätestens nach der nächsten Baustelle oder Pinkelpause wie ein Untoter wieder auftauchen und sein Spiel von neuem beginnen. Daher hilft es letztlich nur, darauf zu hoffen, dass der Kerl irgendwann abfährt, was leider erst in Flensburg der Fall sein wird. Ein schwacher Trost, wenn man sich gerade in Höhe Würzburg befindet.

Ride and park
    Warum es nirgendwo Parkplätze gibt, und vor allem nicht in Köln
     
     
     
     
    Dome Fall City, Mittlerer Westen der USA, wir schreiben das Jahr 1877. Harry C. Gretzner ist von einem tagelangen Ritt durch die Rhinewater Mountains zurückgekehrt. Staubbedeckt reitet er sein treues Pferd Lucy durch die White Valley Road bis vor den einzigen Saloon in der kleinen, verschlafenen Minenstadt. Vor der Eingangstür springt Harry ab, bindet Lucy an das Geländer, grüßt lässig den auf der Veranda dösenden Mexikaner und betritt dann breitbeinig den Saloon, wo er bei seinem alten Freund Joe den ersten Whiskey des Tages ordert. »Ja, ja«, werden Sie jetzt sagen, »die gute alte Zeit...« Damals hieß das System tatsächlich noch Ride and park. Einreiten, Pferd vor die Tür gestellt und fertig.
    Die Cowboys von damals gibt es längst nicht mehr, doch hat ihr Geist überlebt, in den Köpfen der Handelsvertreter, die von Stadt zu Stadt ziehen, um die Menschheit mit komplizierter Computersoftware, nutzlosen Beratungsdienstleistungen oder überteuerter Edelschokolade zu beglücken. Spätestens beim Erreichen ihres Ziels stoßen sie allerdings auf einen kleinen, jedoch wesentlichen Unterschied zur Western-Romantik...
     
    Nur noch 37 Kilometer bis zum Ziel zeigte das Display des Navigationssystems. Harald schaute gut gelaunt auf die Uhr.
Noch fast zwei Stunden blieben ihm bis zu seinem Termin mit dem Geschäftsführer einer rheinisch-westfälischen Kaffeehauskette, mit dem er für 14 Uhr in der Kölner Innenstadt verabredet war. »In Köln musst du Zeit einplanen«, hatte ihm allerdings vor einigen Tagen ein Kollege bei einem Bier geraten. »Unübersichtlich, die Stadt. Und kaum Parkplätze...« Nun ja, das hatte sich Harald zu Herzen genommen und war entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten mehr als eine Stunde früher losgefahren. Er würde einen Parkplatz suchen, in aller Ruhe einen Cappuccino trinken, seine Lieblingszeitung lesen und dann entspannt einen Großabschluss mit dem Herrn tätigen. Während Harald fröhlich pfeifend über die Rheinbrücke in die Stadt einfuhr, rechnete er sich seine üppige Provision aus und ging in Gedanken durch, was er davon alles würde kaufen können. »Nach fünfhundert Metern rechts abbiegen«, meldete sich das Navigationssystem. Harald verlangsamte etwas, ordnete sich hinter einem Paketdienstlaster ein und spähte nach rechts, um die Einmündung nicht zu verpassen. »Jetzt rechts«, mahnte das System. Harald blinkte, doch dann sah er die rot-weißen Absperrzäune und ein großes Baustellenschild mit der Aufschrift »Hier modernisiert die Stadt Köln den Innenstadtring«. Das ging ja schon wieder gut los, dachte Harald und beglückwünschte sich, dass er noch eine Stunde und 42 Minuten Zeit bis zum Termin hatte.
    Die nächste Straße rechts war eine nicht befahrbare Einbahnstraße, die übernächste eine Fußgängerzone. Das Navigationssystem zeigte eine Eieruhr und den Schriftzug »Calc Rte«, was bedeutete, dass Harald augenblicklich völlig orientierungslos war. Hinter ihm hupte der Fahrer einer
rotbraunen Mercedes A-Klasse, weil Harald ihm offenbar zu langsam fuhr. »Ja, ja, Idiot«, murmelte Harald, schaute etwas genervt auf die Sanduhr, gab Gas und sah sich unvermittelt auf eine Gabelung zufahren. Geradeaus ging es in einen Tunnel, rechts eine leichte Steigung hinauf. Harald entschied sich in Ermangelung eines elektronischen Ratschlags für den Tunnel und hätte sich sogleich ohrfeigen können, weil dieser hundert Meter weiter eine scharfe Linksbiegung machte und ganz offenkundig vom Ziel wegführte. »Wenn möglich, bitte wenden«, schnarrte nun das System, was angesichts einer nackten Tunnelwand zur Linken ein echt schlechter Tipp war, wie Harald fand. Zu allem Übel staute sich jetzt noch der Verkehr im Tunnel. »Ich habe Zeit«, sagte

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