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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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Mango-Pfirsich-Duftnote und ist diese Woche im Angebot«, sagte Herberholz mehr zu sich selbst. »Welche Dienstleistungen darf ich Ihnen anbieten, während sich Ihr Tank füllt?«
    »Keine«, schnappte Harald, der gerade feststellte, dass sein Minutenzeiger auf eins nach elf vorrückte.
    »Na, aber die Scheibe werde ich schon noch einmal grundreinigen«, rief der gelbbemantelte Servicemann. »Mit Blick auf Ihre Zeitnot mache ich dann nur Basic.«
    »Was ist Basic?«, fragte Harald vorahnungsvoll.
    »Reifendruck prüfen, Ölstand messen, Scheibenwischanlage nachfüllen, also wirklich nur das Allernötigste«, grummelte Herberholz.

    Harald spürte, wie langsam jede Lebensenergie aus seinem Körper verschwand. Sein Schädel drohte inzwischen zu platzen. »Gut, machen Sie das. Aber bitte schnell. Ich muss hier weg.«
    »Natürlich, natürlich. Schnell, schnell, aber gründlich, das ist meine Devise«, flötete Herberholz, der angesichts dieser ersten Beachtung seiner Bemühungen wieder etwas versöhnter schien. »Und Sie sind sicher, dass Sie nicht Basic plus wollen? Dann würde ich zusätzlich den Fußraum aussaugen und die Bodenmatten reinigen. Sehen ja schrecklich aus...«
    Es war offenkundig ein Fehler gewesen, diesem Fleisch gewordenen Servicealptraum den kleinen Finger zu reichen, schalt sich Harald innerlich. »Es bleibt bei Basic!«, rief er und ärgerte sich schwarz über seine Gutmütigkeit.
    »Sie sollten nicht nur an Ihr Auto denken, sondern auch mal an sich selbst«, dozierte Herberholz unbeirrt weiter. »Einige Übungen zum autogenen Training und eine Fußmassage würden Ihnen nach der langen Fahrt guttun...«
    »Ich bin gerade erst aufgebrochen und werde, wenn Sie nicht gleich fertig sind, auch nirgendwo mehr hinfahren«, keuchte Harald vor Wut. »Machen Sie das hier fertig, ich gehe schon mal zahlen...«
    Er drehte sich schnurstracks um und begann zum Kassenbereich zu gehen. »Halt! Warten Sie«, rief Herberholz und rannte hinter Harald her. »Hier«, sagte der Mann, »bitte nehmen Sie diesen Beleg und geben ihn an der Kasse ab, wenn Ihnen der Service zugesagt hat. Ihrem Rechnungsbetrag wird dann ein Euro aufgeschlagen...«
    Harald nahm den Zettel mit Todesverachtung und stapfte
weiter, wild entschlossen, keinen Cent für diesen Irrsinn zu bezahlen, vor allem aber sich nicht umzudrehen.
    »Haben Sie Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage?«, rief Herberholz ihm nach.
    »Es ist August!«, brüllte Harald über die Schulter zurück.
    »Aber man weiß nie...«, versuchte Herberholz noch sein Glück, doch Harald war durch die Glastür verschwunden.
    Etwas verloren schaute sich Harald in dem riesigen Präsentationsraum um. Von außen war die Kasse gut sichtbar gewesen, drinnen drohte jedoch Orientierungsverlust angesichts mehrerer Promotionstände und einer Fülle von Wareninseln, die quer über die großzügig bemessene Verkaufsfläche der Tankstellensupermarktwelt verteilt waren. »Möchten Sie unsere neue Espressomarke probieren?«, fragte ihn unvermittelt eine hübsche Rothaarige in einem gewagten blaugrünen Meerjungfrauenkostüm. Verführerisch wedelte sie mit ihrer Schwanzflosse und versuchte Harald an einen ebenfalls blaugrünen Verkaufstisch der Firma »AquaPresso« zu bugsieren. Zärtliche Gitarrenklänge über einem Streicherteppich umschmeichelten seine Sinne, es roch herrlich nach frischem Kaffee. Harald schwenkte die Bewegungsrichtung, da er außer einem Rest Cola Light aus der Hotelminibar heute noch nichts zu sich genommen hatte.
    Ein Blick auf die Armbanduhr brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück. 11.23 Uhr. Panisch drängelte sich Harald an der laut aufquiekenden Meeresschönheit vorbei, ignorierte weitgehend die Bühne mit dem üppigen Weihnachtsmann, der gerade »Jingle Bells« summend Schokoladenkekse in Reservekanisterform an eine Schulklasse verteilte (»warum haben die im August einen Weihnachtsmann«, schoss es Harald
durch den Kopf), lehnte höflich, aber bestimmt die von einer älteren Frau mit strohblonden Haaren und traurigem Blick wacker in ein Mikrofon gepresste »Sensation aus den USA- Sie werden die Welt mit neuen Augen sehen!« ab- es handelte sich wohl um ein Brillenputztuch -, stürzte durch die Abteilung mitTiernahrung und Freizeitbekleidung und stand plötzlich unverhofft im Kassenbereich.
    An Kasse eins diskutierte ein graumelierter Anzugträger gerade sehr konzentriert mit einer Tankstellenbediensteten. An Kasse zwei bezahlte eine mit Kinderwagen bewaffnete Frau.

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