Wenn nicht jetzt, wann dann?
Torte?«
Sie schielte neugierig durch den Deckel.
»Das ist doch nicht etwa für den Gärtner? Annemie! Du backst für ihn!«
Waltraud grinste und winkte Frau Schneider herbei, die gerade die Straße herunterkam.
»Kommen Sie mal, das dürfen Sie nicht verpassen! Sie backt für ihn!«
»Ach, hör auf. Schluss jetzt, ihr Waschweiber! Wenn ich den Bus bekommen will, muss ich mich sputen. Bis später!«
Annemie winkte ihnen fröhlich und ging weiter zur Bushaltestelle, wo sie den Bus gerade noch erwischte, ohne durch übermäßiges Tempo den Fortbestand der Torte zu gefährden.
»Und wo picknicken wir heute?«, fragte Annemie, als sie in der Gärtnerei angekommen war und noch versuchte, die Torte vor Hannes Winter zu verbergen. »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Aber das zeige ich Ihnen erst, wenn ich weiß, wo wir hingehen.«
Hannes und sie standen etwas verlegen lächelnd voreinander.
»Sie sehen heute anders aus«, bemerkte er. »Ich will damit sagen, schön anders, also, Sie sehen heute besonders schön aus. Also nicht, dass Sie sonst nicht …« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde ungeschickt, ich weiß nicht mehr, wie man Komplimente macht. Ihre Augen strahlen so blau. Das kommt von Ihrem Kleid. Ich weiß, wo wir heute hingehen. Kommen Sie. Wir machen unser Picknick in den Hortensien. Im Gewächshaus sind alle Fenster und Türen offen, da ist es luftig und blau. So luftig und blau, wie Sie es sind.«
Während sie ihm folgte und dabei ein wenig aufgeregt war, drehte er sich um und lächelte wieder, was sein Gesicht, durch das viele Wetter gewandert waren, in tausend kleine Falten legte.
»So luftig und blau, wie ich mich fühle, wenn Sie mich besuchen.«
Sie rückten einen Tisch zurecht, der inmitten des blauen Meeres einen Blick in den blühenden Garten bot, stellten Hocker daran, sie holten Geschirr und eine Tischdecke und Hannes kochte in aller Ruhe den Kaffee in der Laube, den sie dann gemeinsam ins Hortensienhaus trugen.
»Ich bekomme immer so schöne Blumen von Ihnen, ich wollte Ihnen auch mal etwas mitbringen.«
Damit hob Annemie den Deckel von der Tortenschachtel und stellte die Erdbeertorte für ihn auf den Tisch. Sie hatte den Transport unversehrt überstanden und prangte in leuchtendem Rot vor ihnen. Und sie duftete, wie nur frischer Erdbeerkuchen duften kann, und Hannes strahlte.
Während Hannes das Besteck für Annemie geraderückte und den Kaffee einschenkte, schnitt Annemie die Torte an und legte ihnen beiden ein schönes Stück auf den Teller. Als Hannes den ersten Bissen nahm, schnupperte er erst an seiner Gabel, schloss die Augen und kaute bedächtig. Als er die Augen wieder öffnete, lächelte er Annemie durch seine freundlichen Fältchen an und sagte, dass der Kuchen himmlisch schmecke.
»Ich glaube, ich habe zwanzig Jahre keine Erdbeertorte mehr gegessen. Vielleicht sogar noch länger.«
Er nahm einen zweiten Bissen und aß das ganze Stück mit viel Genuss auf. Annemie sah ihm dabei zu und freute sich, dass es ihm schmeckte, sie freute sich, dass sie mit ihm in seinem Hortensienhaus saß, aus dem er sie vor kurzem noch hatte vertreiben wollen, und dachte, wie schön es war, dass Claus Winter sie hierhergeschickt hatte und sie Hannes Winter hatte kennenlernen dürfen.
»Ob ich wohl noch ein Stückchen haben könnte?« Hannes schaute den Kuchen mit einem Hundeblick an, und Annemie lachte auf.
»Sie können auch noch fünf Stücke essen, Sie können den ganzen Kuchen essen, er ist doch für Sie!«
Als das zweite Stück sicher auf seinem Teller gelandet war, schaute er sie mit einem unergründlichen Blick an.
»Wissen Sie, es ist kaum zu glauben, aber früher hat mir meine Mutter immer eine Erdbeertorte zum Geburtstag gebacken. Jedes Jahr. Wunderbare Erdbeeren. Es waren meistens die ersten des Jahres. Ich habe immer schon Tage vorher gehofft, dass es bereits welche geben würde, denn wenn das Frühjahr sehr kalt war, konnte es durchaus passieren, dass es noch keine gab. Aber ich hatte schon manchmal den Verdacht, dass sie sie selbst heimlich in einem Gewächshaus heranzog, damit sie pünktlich zu meinem Geburtstag reif waren.«
Er lächelte versonnen in der Erinnerung.
»Und wissen Sie, was mich sehr verblüfft. Sie kommen heute mit einem Erdbeerkuchen zu mir. Und heute ist mein Geburtstag. Ausgerechnet heute.«
Er sah sie an und nahm ihre Hand.
»Ich danke Ihnen. Von ganzem Herzen. Das ist wie, ja, wie soll ich sagen, das ist wie Geburtstag!«
Hannes hielt noch immer
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