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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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Annemies Hand, und sie dachte, dass sich das wundervoll anfühlte. Sie dachte, das sind Gärtnerhände, und sie hatte das Gefühl, sie könnte durch diese Berührung wachsen. Als könnte sie beginnen zu blühen.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Herr Winter. Ich wünsche Ihnen alles Gute und freue mich, mit Ihnen zusammen Kuchen zu essen. Und ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich wusste, dass heute Ihr Geburtstag ist. Ich habe extra für Sie zum Geburtstag gebacken.«
    »Aber woher, aber wie …«, er sah sie verwundert an und lockerte den festen Griff um ihre Hand ein wenig, was sie bedauerte.
    »Ich muss Ihnen etwas sagen. Ich wollte es Ihnen schon die ganze Zeit sagen, aber es ergab sich nie und es schien mir dann auch nie so wichtig, aber jetzt will ich es doch … also, dass Sie heute Geburtstag haben, das weiß ich von Ihrem Bruder Claus Winter …«
    Annemie glaubte in diesem Moment noch fest daran, dass sie nun eine Bruderversöhnung herbeiführen könnte, nach all den Jahren, doch sie erschrak, als er ihre Hand sehr unmittelbar losließ und in seinem Gesicht nach dem ersten Ausdruck von Überraschung plötzlich eine Härte erschien, die sie nur bei ihrer ersten Begegnung in seinem Gesicht gesehen hatte. Bei der allerersten Begegnung, als er sie schimpfend hinauswerfen wollte. Ihr wurde mit einem Mal ganz schwindelig. Sie versuchte weiterzusprechen, doch angesichts seines Blickes fiel es ihr schwer, und sie begann zu stammeln.
    »Und der Brautstrauß, also die Hochzeit, das ist für Nina, da habe ich Sie wegen Nina gefragt. Wegen Ihrer … Nichte.«
    Ihr versagte die Stimme. Sie fühlte sich elend. Was war passiert? Eben gerade hatten sie noch gelacht, eben gerade noch waren sie glücklich gewesen und hatten sich gefreut.
    »Was …?«
    Sie schaute ihn fragend an. Doch seine Augen verrieten ihr nichts mehr. Sie waren verschlossen. Die Rollläden waren heruntergelassen, und sie fror plötzlich.
    »Gehen Sie.«
    Er sagte es so leise, dass sie es im ersten Moment nicht verstand.
    »Bitte?«
    Er schwieg in stillem Zorn, und Annemie wagte es nicht, noch einmal nachzufragen.
    »Gehen Sie.«
    Er wiederholte den Satz mehrere Male, immer lauter werdend, bis Annemie ängstlich aufschreckte und nach ihrer Tasche griff. Was war denn nur in ihn gefahren?
    »Herr Winter … bitte, ich … glauben Sie mir …«
    Er schaute wie abwesend in eine weite Ferne, die sich für ihn hinter dem Gewächshaus aufzutun schien, eine Ferne, in die ihr Blick ihm nicht folgen konnte.
    »Gehen Sie«, wiederholte er sehr leise. »Und kommen Sie nie mehr wieder. Ich will Sie hier nie mehr sehen.«
    Annemie hielt ihre Tasche vor sich, blickte auf den Erdbeerkuchen, der plötzlich vollkommen lächerlich geworden war und so schrecklich rot aus dem blauen Meer der Hortensien herausstach. Sie verließ das Gewächshaus, so schnell sie konnte. In der Tür hielt sie kurz inne und drehte sich zu ihm um. Er starrte noch immer in diese Ferne, und sie wusste zwar nicht, was da gerade geschehen war, sie wusste nicht, was diesen Ausbruch ausgelöst hatte, aber eines wusste sie sicher: Sie hatte ihn für immer verloren.
    Sie fand den Weg zum Gartentor ohne nachzudenken. Sie fand sich an der Bushaltestelle wieder, wo sie ebenfalls ohne nachzudenken auf den Bus wartete, einstieg und so lange fuhr, bis sie aussteigen musste, was sie ebenso mechanisch tat. Als sie bei dem Edekaladen vorbeikam, stürzte Waltraud auf sie zu, die sie schon hatte kommen sehen. Annemie nahm das gar nicht richtig wahr, sie bewegte sich wie in Trance, sie wusste gar nicht, was sie eigentlich noch aufrecht hielt, warum sie eigentlich noch Schritte tat, sie fühlte sich so hohl und leer, als könnte sie jeden Moment in sich zusammenfallen. Als wäre sie nur eine Hülle ihrer selbst, die sich aus irgendeinem Grund noch immer bewegte. Und aus irgendeinem Grund antwortete sie Waltraud, die plötzlich besorgt vor ihr stand und sie fragte, was denn bloß los sei. Wie von ferne hörte Annemie sich antworten, so als gehöre die Stimme gar nicht zu ihr, aber es war ihre Stimme, und sie klang bitter.
    »Ach«, sagte die Stimme, die Annemie hörte. »Hochzeiten und Liebe, Blumen und Torten. Was sind das doch für dumme Illusionen, die daran geknüpft sind. Die ganze Romantik soll einen doch die bittere Pille der Enttäuschung nicht erkennen lassen, die sich dahinter verbirgt. Alles nur Verkleidung. Wir machen uns doch alle etwas vor. Deshalb tragen die Bräute alle Schleier,

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