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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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lang vertraut.
    »Bring mich nach Hause, ich will da nicht mehr rein«, sagte Liz und deutete auf das Krankenhaus.
    »Ich befürchte, das geht nicht so einfach«, seufzte Natalie und legte den Arm um ihre Schwester. »Vielleicht haben wir uns auch getäuscht. Vielleicht ist es gar nicht sein Kind, sondern das einer Bekannten?«
    »Und deshalb ruft es ›Papa‹?«
    »Vielleicht ist die Frau nicht seine Frau?«
    »Und deshalb sagt sie ihm, dass sie ja nicht die Einzige war, die das Kind wollte?«
    »Aber vielleicht sind sie gar nicht mehr zusammen?«
    »Und deshalb fragt er sie, wann sie nach Hause kommt? Nati, lieb von dir, aber ich glaube, was wir gesehen haben, war nicht misszuverstehen.«
    Liz schwieg. Was gab es auch noch zu sagen? Sie war kurz davor gewesen, einem Mann, dem sie eigentlich zutiefst misstrauen sollte, zu vertrauen. Ihr erstes Gefühl war richtig gewesen, und all die Stimmen in ihrem Kopf, die er nach und nach zum Verstummen gebracht hatte, hatten auch recht behalten. Hätte sie doch nur besser auf ihren Instinkt gehört! Warum war sie nur so dumm gewesen, ihren Verstand auszuschalten? Der Unfall musste sie doch reichlich mitgenommen haben, wenn sie auf einen so offensichtlichen Mistkerl hereingefallen war, der an ihrem Bett gesessen hatte, einen auf Frauenversteher und hartnäckigen Verehrer gemacht hatte, während zu Hause eine Frau mit Kind auf ihn wartete.
    »Dass er auch noch so einer ist, der seiner Frau den ganzen Kinderkram überlässt.«
    »Das Krankenhaus ist bestimmt immer für eine Ausrede gut. Kein Wunder, dass es ihr mal gereicht hat.«
    Natalie seufzte und schwieg eine Weile. Doch irgendwann schaute sie auf die Uhr und sagte, dass sie jetzt bald die Kinder vom Kindergarten abholen müsste und dass sie besser langsam aufbrachen.
    »Ich möchte dich noch wohlbehalten in dein Zimmer zurückbringen.«
    »Wohlbehalten. Schönes Wort. Ich glaube, was ich jetzt von mir übrig behalten habe, ist alles andere als wohl.«
    Liz kämpfte sich hoch, bis sie auf ihrem gesunden Bein stand. Der Weg zurück ins Krankenhaus schien sich endlos vor ihr auszudehnen, und sie fühlte sich schwach. So als hätte jemand den Stöpsel gezogen und all ihre Kraft wäre aus ihr herausgelaufen. Als sie sich in ihrem Zimmer aufs Bett fallen ließ und Natalie ihr den einen Schuh auszog, die Krücken ordentlich neben den Nachttisch stellte und sie zum Abschied auf die Wange küsste, war sie so müde, dass sie sich dankbar in den dunklen Schlaf fallen ließ, der sie vor den quälenden Gedanken rettete, die in ihrem Kopf kreisten.
    Sie schlief so fest, dass sie nicht mitbekam, dass Simon noch zweimal zu ihr ins Zimmer schaute. Doch als sie später aufwachte, fand sie einen Zettel neben ihrem Bett, auf den er einen kleinen Brief geschrieben hatte. Sie zerknüllte ihn, ohne ihn zu lesen. Sie wollte keine einzige Lüge mehr von ihm hören oder lesen. Keine einzige.

    Annemie hatte bei Liz aufgeräumt, gelüftet, hatte das Nötigste für sie eingekauft, ihr einen Willkommens-Blumenstrauß ans Bett gestellt und eine Kuchenplatte auf dem Küchentisch platziert, unter deren Glashaube sich bunte Petit Fours für sie stapelten. Sie freute sich darauf, dass Liz morgen nach Hause kommen würde. Sie freute sich darauf, sie ein wenig bemuttern zu können, und natürlich freute sie sich auch darauf, dass sie sich die Arbeit dann besser aufteilen konnten und sie den zusätzlichen Weg ins Krankenhaus nicht mehr bewältigen musste. Mit einem Auto wäre das ja alles nicht so aufwendig gewesen. Aber ohne Auto hatte sie mit dem Bus schon immer recht kunstvoll geplante Wege zurücklegen müssen, die die Fahrpläne der jeweiligen Linien und die möglichen Umsteigestationen mitsamt der dabei entstehenden Wartezeiten berücksichtigten. Wenn Liz ab morgen zu Hause war, würde sie einfach ein logistisches Problem weniger haben.
    Annemie begutachtete ihre Erdbeertorte, die sie für Hannes Winter zum Geburtstag gebacken hatte. Unter dem Tortenguss leuchteten die Erdbeeren ihr fröhlich entgegen, und darunter schichteten sich Sahnecreme, Erdbeeren und Biskuit zu einer wunderbaren Mischung. Annemie lief summend durch die Wohnung, schlüpfte in ihr neues Sommerkleid, zog ihre Schuhe an, setzte als Letztes den durchsichtigen Deckel auf ihre Tortentragebox und ging los Richtung Bushaltestelle.
    Als sie am Edekaladen vorbeikam, sah Waltraud sie durch die Fensterscheibe und lief auf die Straße zu ihr heraus.
    »Oh, was haben wir denn da für eine

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