Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich kann das nicht. Ich kann das doch gar nicht!«
Sie nahm einen zarten weißen Blütenkranz aus winzigen perlenbesetzten Seidenblumen von einem Ständer und setzte ihn sich ins Haar.
»Ich war nie so eine romantische Braut, wissen Sie«, erzählte sie ihrem Spiegelbild. »Ich habe sehr nüchtern und zweckmäßig geheiratet. Und schnell. Damals heiratete man dann eben manchmal sehr schnell. Auch wenn es gar nicht nötig gewesen wäre. Aber das wussten wir ja nicht.«
Annemie spürte, wie ihr eng ums Herz wurde und eine Woge von Traurigkeit in ihr hochstieg. Wie lange hatte sie daran nicht gedacht? Nicht an ihre Hochzeit, nicht an die Krämpfe in den darauffolgenden Wochen und erst recht nicht an den Krankenhausaufenthalt und die vielen bitteren Stunden, die sie alleine mit ihren Schmerzen und dem Gefühl eines ungeheuren Verlustes verbracht hatte. Die Traurigkeit stach ihr plötzlich sogar in den Augen, so dass sie sich zusammenreißen musste. Und zwar sofort. Das waren nun wirklich nicht die richtigen Gedanken, und sie versuchte, rasch an etwas anderes zu denken, um die unerwünschten Bilder wieder an den Platz zurückzudrängen, an dem Annemie sie jahrelang verwahrt hatte. Unsichtbar. Im Dunkeln ihrer Seele. Sie musste jetzt ganz schnell an etwas anderes denken, sehr schnell, doch kein neuer Gedanke wollte sich formen.
2
N ina Winter rief Fabian schon morgens an, um ihn zu fragen, ob er denn nun mitkommen wolle zu dem Termin bei der Hochzeitsplanerin. Sie ahnte schon, dass er die Verabredung sozusagen »vergessen« hatte und alles lieber ihr und ihrem Vater überlassen würde. Er wollte Nina heiraten, zumindest sagte er das so deutlich, dass es keinerlei Zweifel daran gab. Aber wie und wo und mit wem, also das ganze Drumherum, das alles war ihm völlig gleichgültig.
»Vergesst nur nicht, meine Eltern mit auf die Gästeliste zu setzen!«, scherzte er, und Nina schluckte die leise Irritation hinunter, die dabei in ihr aufstieg. Konnte es einem denn wirklich egal sein, wie man heiratete? Ihr war es sicherlich nicht egal. Ganz im Gegenteil, sie hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ihre Hochzeit zu sein hatte. So wie sie von vielen Dingen in ihrem Leben eine sehr genaue Vorstellung hatte. Aber sie beschloss schnell, die Verwunderung beiseitezuschieben und es stattdessen wirklich süß von ihm zu finden, dass er ihr völlig freie Hand ließ. Schließlich ahnte er wahrscheinlich, dass er sowieso nicht zu Wort käme, weil Nina stets ganz genau wusste, was sie wollte. Unsicherheiten pflegte sie zuverlässig und streifenfrei wie ein frisch ausgewechselter Scheibenwischer zu beseitigen.
Sie hoffte, dass die Hochzeitsplanerin ihre anspruchsvollen Pläne verwirklichen konnte. Wenn sie an ihre Hochzeit dachte, dann stellte sie sich weiße Geradlinigkeit vor, eine gewisse Sachlichkeit, die ruhig ein wenig kühl wirken durfte, und darin sollten wie bunte Tupfer, wie Zitate aus einer anderen Welt, die traditionellen Elemente hervorstechen, die zu einer Hochzeit gehörten. Vater führt Braut zum Altar. Ehegelöbnis, Hochzeitstorte, Hochzeitswalzer, Brautstrauß werfen. Ansonsten alles in betont schnörkelloser Geradlinigkeit. Und um Gottes willen nichts Rührseliges. Wenn ihr Vater nun auch Zutrauen zu dieser Liz Baumgarten gefasst hatte, und so hatte er ja nach dem Telefonat mit ihr geklungen, umso besser. Denn Ninas Hochzeit war schließlich keine reine Privatsache. Das Ganze war auch eine öffentliche Angelegenheit. Sie gehörten nun einmal zu den bekannten Familien in der Stadt. Als Verkäufer von teurem Luxusschmuck, den sich nur wenige leisten konnten, würden sie von der Öffentlichkeit sehr genau beobachtet werden. Und sie wollte, dass die Familie gut dastand.
»Es wird dir bestimmt gefallen, was wir planen.«
»Das wird es«, versicherte Fabian ihr. »Es wird ein toller Tag werden. Du hast ein Händchen für so was, ich bin da hoffnungslos. Sag mir, was ich zu tun habe, und ich tue es.«
»Pass auf, was du sagst«, schmunzelte Nina. »Ich nehme dich beim Wort!«
»Nur die Ringe, die sind meine Sache!«
Nina lächelte. Es gab sicherlich nicht viele Frauen, die ihren Ring von ihrem zukünftigen Ehemann selbst geschmiedet bekamen. Fabian war einer der Goldschmiede, die eine Lehre bei Winter gemacht hatten und sofort übernommen worden waren. Er war sehr sorgfältig, er hatte keine extrem abgehobenen Ideen, aber ein gutes Gespür für das Besondere, das ihrer zahlungskräftigen Kundschaft, die oft nicht
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