Wenn nicht jetzt, wann dann?
dieser Frau zu helfen, das loszuwerden, was sie offensichtlich loswerden wollte. Er legte seine Hand beruhigend und bestimmt auf Ninas nervös zappelnde Hand und schaute Annemie freundlich an.
»Sie müssen entschuldigen. Das Geschirr hat geklappert und mein Gehör ist leider nicht das beste. Wenn wir uns vielleicht vorstellen dürften: Dies ist meine Tochter Nina Winter, die Braut, um die es hier geht, und ich bin ihr Vater, Claus Winter. Und Sie sind Frau Baumgarten?«
Er schaute sie fragend an, und Annemie spürte, wie eine aufgeregte Röte ihr am Hals hochstieg. Auch das noch. Nun wurde sie auch noch rot.
»Nein«, stammelte sie schüchtern. »Ich bin nicht Frau Baumgarten, ich bin Frau Hummel. Frau Baumgarten liegt im Krankenhaus, ein Unfall, leider, gestern Abend, sie ist zu schnell, na egal, sie kann nicht kommen und hat mich gebeten, hier zu sein und mit Ihnen zu sprechen. Weil, sie kann ja nicht.«
Eine kleine Stille trat ein.
»Und Sie sind, was? Ihre Mitarbeiterin?«
»Ja«, antwortete Annemie. »Also nein, eigentlich … also, ich arbeite schon mit, aber anders. Wollen Sie nicht erst einmal einen Kaffee?«
»Gerne.« Claus Winter nahm eine Tasse entgegen und stellte sie vor sich hin.
»Und auf welche Art arbeiten sie ›schon mit‹?«, fragte Nina etwas herablassend.
»Ich backe«, sagte Annemie und reichte ihr den Teller mit den Petit Fours, die sie mitgebracht hatte. »Hochzeitstorten. Ich backe Hochzeitstorten. Und ich verziere sie.«
»Wir wollen heute aber nicht über Hochzeitstorten reden.« Nina war genervt. »Vielleicht kann uns Frau Baumgarten anrufen, wenn sie wieder zurück ist, damit wir einen neuen Termin vereinbaren. Wenn wir bis dahin niemand anderes gefunden haben.«
Claus Winter sah, wie Annemie erst blass, dann rot wurde und wie dieser Farbwechsel genau um ihre blauen Augen herum stattfand, die dadurch immer anders leuchteten.
»Die stürmische Jugend!«, rief er aus, lächelte Annemie ermutigend an und griff wieder nach Ninas Hand. Die er diesmal noch etwas fester hielt. »Jetzt probieren wir zunächst einmal diese kleinen Törtchen und trinken eine Tasse Kaffee und hören uns in Ruhe an, was Frau Hummel uns erzählen kann.«
Er schaute Nina mit einem bestimmenden Blick an, sie rollte die Augen, zog ihre Hand aus seiner und spielte das übertrieben gelangweilte, geduldige Lämmchen, das sie noch nie gewesen war.
»Frau Baumgarten bat mich, Sie schon einmal nach Ihren ungefähren Vorstellungen zu fragen, denn wenn sie den Rahmen kennt, dann könnte sie Ihnen sehr schnell einige Vorschläge machen. Genauere Vorschläge.«
Annemie schaute auf ihren Zettel, auf dem sie sich notiert hatte, was sie alles fragen sollte.
»Wissen Sie schon, wie viele Gäste Sie erwarten? Oder haben Sie bereits eine Vorstellung von der Lo…, also, von … äh dem Ort, an dem das Fest stattfinden soll? Wir haben hier auch schöne Bilder, ich kann ja mal …«
Sie stand auf, um einige Bücher, die sie am anderen Tischende zurechtgelegt hatte, zu holen und sie vor den beiden auszubreiten.
»Vielleicht wollen Sie einmal darin blättern …«
»Wir wollten eigentlich von Ihnen hören, was Sie angemessen fänden.«
Nina war ein Biest. Ihr Vater strafte sie mit einem Blick und hielt ihr den Teller mit den Petit Fours hin. Sie nahm eines, biss hinein und konnte nicht anders, als anerkennend die Brauen hochzuziehen. Wenn Annemie dies gesehen hätte, hätte es ihr vielleicht ein wenig Sicherheit gegeben, aber sie hatte es nicht bemerkt. Sie hatte für einen kleinen Moment die Augen geschlossen und überlegt, was Liz jetzt wohl tun würde. Oder was ihre Freundin Waltraud nun an ihrer Stelle getan hätte. Waltraud saß immer so kompetent an der Kasse im Edekaladen und redete mit allen Leuten. Egal, ob sie Pelze trugen oder ausgeleierte Pullis, die schon lange keiner Waschmaschine begegnet waren. Sie redete einfach. Annemie war, was das Reden anging, vor allem aber, was das Reden mit Fremden anging, schlicht aus der Übung. Sie redete meist mit sich selbst, und da gab es wenig Unerwartetes, auf das sie spontan reagieren musste. Was würde Waltraud sagen? Beim Gedanken an Waltraud fiel ihr das Buch ein, das sie erst gestern getauscht hatten und das nun zu Hause an ihrem Bett lag. Sie öffnete die Augen wieder und sah Nina an, die gerade ein zweites Petit Fours nahm.
»Ich darf doch …«, fragte sie und Annemie nickte froh.
»Aber natürlich! Wenn Sie als kleines Mädchen von einer Hochzeit
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