Wenn nicht jetzt, wann dann?
geträumt haben«, fragte Annemie, »wie haben Sie sich die immer vorgestellt?«
»Kitschig«, antwortete Nina. »Total rauschend, wallende Stoffe, Spitzen, Blumenmädchen, Geigen, das volle Programm. So wie man heute natürlich nie mehr heiraten würde!«, ergänzte sie schnell, nicht dass die Karodame noch auf falsche Gedanken kam.
Aber das war ein Stichwort, mit dem Annemie etwas anfangen konnte. Mit Träumen kannte sie sich aus. Auch sie hatte einst von einer Hochzeit geträumt, bei der sie sich fühlen würde wie eine Prinzessin. Wunderschön und strahlend für einen Tag, für den schönsten Tag im Leben. Sie hatte dann schließlich die vernünftige, klein gehaltene Hochzeit mit einem unauffälligen Kleid bekommen. Ohne Schleier, ohne Fest, ohne Hochzeitswalzer. »Du kannst jetzt sowieso nicht richtig feiern, in deinem Zustand«, hatte ihre Mutter ihr zugeraunt und war wahrscheinlich heilfroh gewesen, dass sie dadurch Kosten sparen konnte. Doch bis heute war Annemie überzeugt davon, dass ihre ganze Ehe romantischer geworden wäre, wenn sie mit einer romantischen Hochzeit begonnen hätte.
»Das finden Sie jetzt sicher dumm von mir. Aber wissen Sie, es kann sein, dass es einmal einen Zeitpunkt in Ihrem Leben geben wird, an dem Sie es bereuen, nicht so geheiratet zu haben, wie Sie es sich als kleines Mädchen erträumt haben. Und dann können Sie es nicht mehr nachholen.«
Sie erschrak fast über sich. Dass sie einfach so losgeplappert hatte. Wer war sie denn schon, dass sie jemandem wie Nina Winter einen Rat geben wollte. Bestimmt hatte sie es jetzt vermasselt. Unsicher schaute sie auf und genau in die Augen von Claus Winter, die auf ihr ruhten.
»Und das kann traurig sein«, fügte er hinzu.
Annemie nickte zögernd. Er schien zu verstehen, dass sie von sich gesprochen hatte, und erleichtert merkte sie, dass er es nicht völlig falsch fand, was sie gesagt hatte.
»Deine Mutter hat sich damals ihren Mädchentraum erfüllt. Sie war für einen ganzen Tag lang meine Prinzessin, und das ist sie geblieben. Das ist sie noch immer. Lass es dir noch einmal durch den Kopf gehen, Nina. Es ist ja nichts, was wir sofort entscheiden müssen.«
»Ich werde mich ganz bestimmt nicht in die Geschmacklosigkeiten aus Tüll kleiden, die ich mir als kleine Göre in kitschigen Märchenbüchern angeschaut habe!«
»Aber vielleicht gibt es ja ein Kleid, das Sie heute richtig schick finden, und trotzdem fühlen Sie sich wie eine Prinzessin darin.«
Annemie wurde zusehends mutiger, denn jetzt hatte sie das Gefühl, aus einem ihrer Romane oder einem ihrer Träume zu erzählen, was letztendlich das Gleiche war.
»Sie glauben gar nicht, was es alles für Kleider gibt! Wir haben hier Kataloge, aber ein Kleid muss man anprobieren, man muss sich darin bewegen, man muss spüren, ob man sich verkleidet fühlt und falsch oder ob Sie plötzlich noch schöner und besonderer werden, als Sie es schon sind.«
Annemie lächelte sie an. Sie sah Nina vor sich, als ob sie einen Bucheinband von einem ihrer Liebesromane zieren würde. Mit blonden Locken und Blüten im Haar.
»Sie sind so schön. Sie werden eine wundervolle Braut sein.«
Nina war einen Moment lang seltsam berührt von diesem Satz, der noch eine Weile über den blauen Hyazinthen hing, bevor er sich im Raum verflüchtigte … Sie werden eine wundervolle Braut sein … Das hatte noch niemand zu ihr gesagt, aber plötzlich glaubte sie es. Sie wollte es glauben, und sie wollte es sein, eine wundervolle Braut. Schon der bloße Gedanke rührte sie, und sie wischte das Gefühl schnell beiseite. Rührung und damit verbundene Tränen waren nichts, was besonders viel Raum in Ninas Leben einnahm. Sie hatte nach dem Tod ihrer Mutter gut dafür gesorgt, dass nichts, was mit Tränen verbunden war, je wieder besonders viel Raum in ihrem Leben einnehmen würde.
Claus Winter sah Annemie an, die ein wenig aufgeblüht war während ihrer Unterhaltung und vor Aufregung schon rosig schimmernde Wangen hatte. Er ahnte, dass sie alles, was sie tat, mit viel Herzblut angehen würde. Gleichzeitig käme diese Frau Baumgarten ja bald aus dem Krankenhaus. Es gefiel ihm, dass eine ältere Dame und eine junge Frau gemeinsam Ninas Hochzeit vorbereiten würden. Frau Hummel hatte Herz. Das hatten nicht viele. Geschäftssinn, das traf man häufig an. Gute Kontaktlisten, Adressen, Phantasie. In der einen oder anderen Gewichtung gab es das alles oft. Aber Herz. Und das zusammen mit diesen blauen Augen. Mit Evelyns
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