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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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der Stirn.«
    Er lächelte sanft und hielt ihr den Zweig hin.
    »Und warum tragen Sie dann keinen Kranz davon um den Kopf?«
    Sie erschrak über sich selbst. Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen, wie frech von ihr! In der Gegenwart dieses Gärtners, der so seltsam direkt war und wirklich kein Blatt vor den Mund nahm, wurde sie ja selbst richtig dreist.
    Doch er lachte, trat einen Schritt auf sie zu und steckte ihr den Zweig behutsam hinters Ohr.
    »Hab ich schon versucht«, antwortete er. »Hat aber nichts genützt. Und sorgen Sie gut für die Hortensie.«
    Er nickte, drehte sich um und verschwand.
    Im Bus betrachtete sie ihre Reflexion in der Scheibe und überlegte, ob es wohl albern war, mit diesem Zweig im Haar herumzulaufen. Doch sie berührte die Blüten mit einem versonnenen Lächeln und ließ sie dort stecken. Vielleicht würde sie einfach in ein paar Tagen wiederkommen. Genau das würde sie machen. Wiederkommen. Vielleicht würde er wenigstens den Brautstrauß binden. Sie hätte zu gerne gewusst, was passiert war, dass dieser Herr Winter sich in seiner Gärtnerei hinter Hecken verschanzt hatte, während der andere Herr Winter es zu so viel gebracht hatte. Sie war sich fast sicher, dass es etwas mit den Hortensien zu tun hatte. Und auch mit Liebe.
    Als sie in den Hochzeitsladen kam, griff sie als Erstes nach dem Telefon, um sich zu erkundigen, wie Liz ihre Operation überstanden hatte. Sie war erleichtert, als sie erfuhr, dass alles gutgegangen war, dass Liz momentan noch überwacht wurde und sie die Patientin am Nachmittag aber sicher schon besuchen könnte. Annemie überlegte, womit sie ihr wohl eine Freude machen könnte, und als Antwort fiel ihr vor allem eines ein: Kuchen. Aber zum ersten Mal seit vielen Jahren war an einem einzigen Tag in ihrem Leben tatsächlich so viel los, dass sie vor heute Abend gar nicht zum Backen kommen würde. Dann gab es eben erst morgen Kuchen. Sie überlegte, welcher Kuchen Liz eigentlich immer am besten geschmeckt hatte. Es könnte Schokoladenkuchen sein. Vielleicht dieser dreifache Schokoladenkuchen, der aus Schokoladenteig, geschmolzenen Schokoladenstückchen und einer Schokoladenumhüllung bestand. Der war Seelentrost pur. Also genau das, was die gebeutelte Liz jetzt brauchen konnte. Aber bevor es ans Backen ging, musste sie den Anrufbeantworter abhören.
    Annemie starrte auf ihre Notizen und von diesen auf die Knöpfe mit ihren kleinen Zeichen, die sie nicht verstand, und fragte sich, wie um Himmels willen sich die Tastenkombination vom Zettel auf das Telefon übertragen ließe. Als das Telefon in ihrer Hand plötzlich anfing zu klingeln, ließ sie es vor Schreck beinahe fallen. Zum Glück fiel ihr ein, dass sie nur auf die Taste mit dem kaum noch sichtbaren kleinen Hörer drücken musste. Es war Herr Winter.
    »Frau Hummel, ich habe mir Gedanken gemacht, ob es richtig war, Sie zu meinem Bruder zu schicken. Ich mache mir nun doch Sorgen, wir wissen ja gar nicht, in welcher Verfassung er überhaupt ist, und ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich Ihnen eine unangenehme Begegnung bereiten würde. Vielleicht vergessen wir diese Episode einfach und …«
    »Aber ich war schon bei ihm!«, unterbrach Annemie seinen Redefluss. »Heute Vormittag. Ich habe ihn bereits kennengelernt.«
    »Oh, so schnell.« Herr Winter war offensichtlich erstaunt.
    »Ich hatte das Gefühl, es sei Ihnen sehr wichtig. Da habe ich den Besuch gleich vorgezogen.«
    »Ja, wunderbar, und … wie war es? Was hat er gesagt?«
    Claus Winter klang sehr neugierig.
    »Wir haben uns ein wenig unterhalten. Ich habe noch nichts gesagt von Ihrem Anliegen, ich dachte, ich versuche ihn erst einmal kennenzulernen. Damit ich weiß, wie wir weiter vorgehen können. Er ist ein eigenartiger Mensch. Aber durchaus freundlich.«
    Annemie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Sie konnte doch nicht ihrem Auftraggeber gegenüber sagen, dass sein Bruder eigenartig war, das war respektlos.
    »Durchaus freundlich«, wiederholte sie zur Sicherheit noch einmal. Aber Herr Winter schien zufrieden.
    »Wunderbar!«, rief er begeistert. »Sehr gut. Wissen Sie was, wenn Sie wieder bei ihm waren, rufen Sie mich doch bitte direkt im Anschluss daran an, damit ich auf dem Laufenden bleibe. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Hummel. Sehr. Sagen Sie mir nur noch eben, war er ein bisschen sonderbar, oder war er sehr, sehr eigenartig?«
    Annemie überlegte kurz, was sie darauf wohl antworten sollte. Sie hätte einfach

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