Wenn nicht jetzt, wann dann?
hinterher, der sich in Richtung Gartenlaube bewegte. Wahrscheinlich wohnt er da tatsächlich, dachte sie und rief noch einmal. »Herr Winter! Herr Winter! Ich habe noch eine Frage!«
»Was denn noch?«
Unwillig drehte er sich um.
Annemie schluckte und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Sie biss sich nervös auf die Lippe, und dann fragte sie einfach:
»Machen Sie eigentlich auch Hochzeiten?«
»Nein.«
»Nie?«
»Nie.«
Annemies Mut sank. Das war es dann wohl. Traurig schlug sie die Augen nieder und umarmte hilfesuchend ihre Hortensie. Die Geste schien ihn milder zu stimmen, denn er schaute sie neugierig an.
»Geht es denn um Ihre Hochzeit?«
»O nein! Nein.« Annemie musste lächeln. »Ganz gewiss nicht.«
Mit einem Mundwinkel lächelte er zurück und zuckte kurz mit den Schultern, als ob er damit sagen wollte, warum eigentlich nicht. Annemie wurde ein ganz klein bisschen rot, und sein Lächeln breitete sich bis zu seinem zweiten Mundwinkel und dann über sein gesamtes Gesicht aus.
»Aber diese Hochzeit ist Ihnen wichtig?«
»Ja.« Annemie nickte und begann ein wenig zu stammeln, weil sie nicht wusste, wie sie ihr Anliegen nun vorbringen sollte. »Es ist alles ein bisschen kompliziert zu erklären, wissen Sie, aber ich möchte jemandem helfen, also einer Freundin möchte ich helfen, die gerade sehr dringend Hilfe braucht.« Das war noch nicht einmal gelogen. »Und es wäre schön gewesen, wenn Sie den Blumenschmuck für diese eine Hochzeit gemacht hätten.«
So, nun war es heraus. Sie lächelte schüchtern.
Seine braunen Augen konnten also doch freundlich schauen.
»Warum gehen Sie nicht in irgendeinen Blumenladen in der Stadt? Die reißen sich doch um so etwas.«
»Mir gefällt es hier«, antwortete Annemie. »Es ist so anders.«
Er dachte einen Moment nach.
»Geht es um einen Strauß für die Braut? Oder einen Kranz fürs Haar?«
Annemie nickte.
»Und um den Blumenschmuck in der Kirche. Und um den Tischschmuck und den Eingang und den Tanzsaal. Es geht um alles.«
Herr Winter schüttelte müde den Kopf, das war ihm zu viel.
»Nein. Das geht nicht. So etwas kann ich nicht. Die armen Blumen. Wissen Sie, ich ziehe sie groß, ich hätschele sie, ich pflege sie, damit sie zu wunderbarer Pracht erblühen, und dann sollen sie verwelken, nur weil zwei törichte junge Dummköpfe an die Liebe glauben? Das ist Verschwendung. Niemals.«
»Glauben Sie denn nicht an die Liebe?«, fragte Annemie leise.
Er schaute sie überrascht an.
»Sie etwa?«
Sein Blick war so neugierig und direkt, dass Annemie irritiert wegsehen musste, um einen Moment nachzudenken. Sie sah in die Apfelbäume, die so verschwenderisch blühten.
Ihre Antwort war ganz schlicht.
»Ja«, sagte sie.
Er sah sie weiterhin an, und sie spürte, dass er tatsächlich mehr von ihr wissen wollte. Also tastete sie sich noch etwas näher an eine Antwort heran.
»Ich glaube an die Liebe. Ich glaube nicht, dass jeder sie finden kann, aber ich glaube, dass es sie gibt.«
»Und lassen Sie mich raten, Sie haben sie gefunden?«
Er grinste fast ein wenig spöttisch.
Annemie ärgerte sich und wandte den Blick ab. Sie hätte ihm gar nicht antworten sollen. Dieser Mann konnte richtig unhöflich starren. Nun konnte er schön spotten über sie. Was ging das diesen Fremden an? Was war das überhaupt für ein Gespräch? Was tat sie hier eigentlich? Mit einem wildfremden Mann über Liebe zu sprechen! Sie wollte sich am liebsten einfach umdrehen und gehen. Doch irgendetwas in ihr bewog sie dazu, es nicht zu tun, nicht zu verstummen, sondern ihn anzusehen und ihm seine dreiste, neugierige Frage zu beantworten.
»Nein. Habe ich nicht.«
Annemie schüttelte kurz den Kopf zur Bekräftigung und erwartete, dass er nun etwas Dummes sagen würde. So etwas wie »Kein Wunder«. Doch er sah sie sehr ernst an.
»Ich auch nicht.«
Er seufzte, und nach einer kleinen Pause, in der sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte, sprach er weiter.
»Ich dachte, ich hätte sie gefunden. Eine kurze Zeit lang dachte ich es. Aber, Pustekuchen. Na ja. Ist lange her.«
Eine Weile standen sie schweigend voreinander, und Annemie zupfte an ihrer Hortensie herum. Sie wusste nichts darauf zu erwidern, sie wollte jetzt unbedingt gehen, das war alles zu sonderbar. Als sie sich mit einem schüchternen Nicken zum Gehen wandte, griff er zu einer Pflanze, die neben ihm stand, und brach einen kleinen Zweig ab.
»Hier, das sollten Sie im Haar tragen, Myrrhe, das vertreibt die Wehmut aus
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