Wenn nicht jetzt, wann dann?
meine Digicam, die ich in der Tasche der Regenjacke aufbewahre, nicht nass wird. Es regnet, eher mehr als weniger, als ich nach circa eineinhalb Stunden Ponferrada erreiche. Schuhe, Strümpfe sind nass und alles Äußere tropft, mir ist kalt, und ich zweifle das erste Mal an der Richtigkeit meines Vorhabens. Auf den Gehwegen haben sich inzwischen rot-braune Rinnsale gebildet, die in zackigem Kurs über den Weg fließen. Ich laufe dazwischen, darüber, an ihnen vorbei, um möglichst meine Schuhe und Strümpfe nicht noch nasser werden zu lassen.
Das hat mit Spaß und Freude absolut nichts mehr zu tun. Der Weg nach Ponferrada hinein zieht sich endlos hin, und als ich kurz vor 14.00 Uhr an der Touristinformation ankomme, um mir einen Stadtplan zu holen, hat diese wieder einmal zu, obwohl sie nach meinem Reiseführer bis 14.00 Uhr geöffnet haben sollte. Meine Erfahrung mit den Touristinformationen ist sehr schlecht, da diese meist zwischen 14.00 und 17.00 Uhr geschlossen haben, und dies entspricht ziemlich genau den Ankunftszeiten der Pilger. Auch sprechen die meisten Angestellten dort nur spanisch und kein englisch, sodass die Informationsflut dürftig ist. Also, keine Information!
Ich bin nass, friere, bin müde und erschöpft und kenne mich nicht aus, also beste Voraussetzungen, eine Stadt schön zu finden. So mache ich mich auf den Weg zur Pilgerherberge, die ich nach circa weiteren zwanzig Minuten endlich erreiche.
Dort treffe ich nicht nur viele Bekannte wieder, sondern erhalte meinen Pilgerstempel, kann mich aufwärmen, habe sanitäre Anlagen und kann in Ruhe mein mitgebrachtes Essen — Baguette, Käse, Tomate, Zwiebel — zu mir nehmen, mich ausruhen und stärken. Ich sitze hier fast eine Stunde, bin zum Glück nicht allein, sondern habe Kontakt mit anderen Pilgern und fühle mich fast wieder wohl. Unter anderem treffe ich hier auch die Dame aus Bayern wieder, der ich das letzte Mal am Cruz de Ferro begegnet bin. Wir freuen uns beide, sitzen zusammen und unterhalten uns fast eine Stunde miteinander.
Es ist viel Betrieb hier; fast wie in einem Ameisenhaufen kommen ständig neue, völlig verregnete Pilger an. Ich entscheide, weiterzugehen, verabschiede mich von meiner Bekannten, die wie jedes Mal hier in der Herberge bleiben will, und finde schon bald darauf einen öffentlichen Stadtplan, auf dem ich mich so weit orientieren kann, dass ich das hostal, das in meinem Reiseführer als preisgünstige Unterkunft empfohlen wird, finde. Ich kann sofort mein Zimmer beziehen, schäle mich aus den durchnässten Sachen, hänge alles zum Trocknen auf und schlafe entspannt in meinem Bett ein.
Am Nachmittag ist das Wetter besser, sogar die Sonne lugt wieder hervor. Ich mache — zur Fußentlastung wieder in Sandalen — Sightseeing, bin aber enttäuscht, denn hier gibt es für mich nicht viel Interessantes zu sehen. Keine schöne alte Stadt, aber dafür ein paar Geschäfte. Nun, man kann nicht alles haben, und so laufe ich, Eis lutschender Weise, durch die Straßen und genieße meine freie Zeit und die wenigen Sonnenstrahlen. Mir geht es wieder gut, trotz meines Muskelkaters in den Waden, der mir vom gestrigen Abstieg geblieben ist.
Am späten Nachmittag entscheide ich mich, noch einmal den Berg am anderen Ende der Stadt hochzusteigen, um mir die alte Templer-Burg von Ponferrada anzusehen. Diese gewaltige und beeindruckende Burg besteht aus riesigen Festungsmauern, die durch Festungstürme unterbrochen werden. Das gesamte Bauwerk besteht aus unterschiedlich großen, gelblichen, gemauerten Steinen, die unverputzt auch nach vielen hundert Jahren noch in ihrer ursprünglichen Form zu erkennen sind. Trotz der Mühen bin ich froh, dass ich mich zu dieser Besichtigung entschieden habe, denn dieses wirklich sehenswerte Bauwerk zu verpassen, das hätte mich schon geärgert!
Auf dem Rückweg zu meinem Quartier bin ich hungrig, gehe noch eine Kleinigkeit essen und brauche dann Ruhe. Der Abend ist also heute kurz, ich bin einfach nur müde und möchte schlafen.
16. Tag:
Ponferrada — Villafranca Del Bierzo (23,3 km), 20. Juni
Am frühen Morgen, als ich mein Quartier verlasse, ist es draußen wieder kalt und regnerisch, fast ein Wetter wie zu Hause. Meine Wanderschuhe sind immer noch nicht ganz trocken, obwohl ich die Sohlen herausgenommen und zum Trocknen hingelegt hatte. Demnach ist es unumgänglich, dass ich in den nassen Schuhen laufe, es geht nicht anders.
Um aus Ponferrada herauszukommen, muss ich circa eine halbe Stunde
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