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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Malou
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con leche und zum Essen und einen Supermarkt, um meinen Proviant für den nächsten Tag einzukaufen. Die Zeit scheint in diesem Ort vor langem stillgestanden zu sein, denn es gibt viele sehr alte Häuser, aus Lehm und den hier typisch unterschiedlich großen Steinen gebaut. Viele weisen Holzveranden und Holztreppen auf, die fast alle einen windschiefen und abenteuerlichen Eindruck hinterlassen. Das müsste die deutsche Baubehörde sehen, die würden den Ort sofort stilllegen! Aber in Spanien geht es merkwürdigerweise; hier leben Menschen in diesen Häusern in diesem ruhigen, friedlichen Ort, 1600 Meter hoch gelegen, mit einem traumhaften Blick rundherum.
    Heute bin ich nicht mehr viel zu anderen Tätigkeiten in der Lage. Für kurze Minuten liege ich windgeschützt in der warmen Abendsonne auf einer Wiese und fange fast an zu schwitzen. Als ich jedoch wieder hochkomme, pfeift der Wind wie zuvor kalt um mich herum, und ich finde es so ungemütlich und bin so müde, dass ich früh zu Bett gehe, um für den nächsten Tag gerüstet zu sein.

15. Tag:
    El Acebo — Ponferrada (15,4 km), 19. Juni

    Dieser Morgen beginnt mit einem gemütlichen Frühstück, das mir mein Vermieter um 6.30 Uhr in seinem Wohnzimmer kredenzt. Es gibt café con leche, geröstetes Brot, Olivenöl als Ersatz für Margarine oder Butter und drei verschiedenen Sorten Marmelade. Ich freue mich darüber, denn das hier ist meine erste Übernachtung, bei der ich ein fertiges Frühstück vorgesetzt bekomme. Mein Vermieter ist eine interessante, braunäugige Persönlichkeit, redegewandt, englisch sprechend, mit einem außergewöhnlichen Wohnzimmer: Kamin in der Ecke, Natursteinwände, alte Möbel, Buddha und Räucherstäbchen, großer, geschwungener Spiegel neben dem Esstisch. Dazu ein Riesenstrubbelhund, über den man hinwegsteigen muss, ohne dass er sich rührt. Auch leben zwei Katzen hier, die eine pechschwarz, die andere rot-getigert. Dieser Mann und sein Haus strahlen eine ruhige, entspannte Atmosphäre aus, die mir angenehm ist. Auch gibt es hier keinen Haustürschlüssel. Für mich als Gast ist die Tür einfach immer offen, und ich kann durch dieses Wohnzimmer in mein Zimmer gehen, wann immer ich es will. So ein gemütliches Gasthaus wird mir zu einer bleibenden Erinnerung werden, das fühle ich genau.
    Nach diesem entspannten Frühstück in Gesellschaft meines Vermieters wandere ich um circa 7.00 Uhr los. Der starke Wind der Nacht hat sich fast gelegt, der Himmel ist wolkig, und ich fühle mich wohl und ausgeruht, auch wenn es kühl ist und ich wieder die volle Ausrüstung — lange Hose und Jacke — anhabe. Mein Weg führt mich durch dichte Büsche erst geradeaus und dann wieder einmal bergab. Die Berge begleiten mich, Wolken verhangen, die Wolken im Sonnenaufgang in bizarren Formen.
    Es ist noch nicht viel los heute Morgen, die meisten Pilger sind wohl gestern schon bis Ponferrada weitergegangen. Ich habe große Lust zu laufen und komme, ausgeruht wie ich bin, schnell voran. Nach gut zwei Stunden passiere ich den nächsten kleinen Ort, Riego de Ambros, und lande unvermittelt hinter dem Ortsende in einer Sackgasse in Form einer kaum begehbaren Grasterrasse. Nun bin ich doch irritiert und habe meinen Weg verloren. Ich drehe mich um und sehe den nächsten Pilger, einen freundlichen jungen Mann aus Deutschland, auf mich zukommen. Wir beratschlagen gemeinsam, was wohl los sei und entschließen uns, in den Ort zurückzugehen. Und richtig, mitten im Ort haben wir offensichtlich beide den Abzweiger übersehen. Nun geht es auf dem richtigen Weg weiter, und wir laufen ihn eine Strecke gemeinsam.
    Der junge Mann erzählt, dass er aus Mainz kommt und den Camino de Santiago nur für circa zwei Wochen zwischen zwei Ausbildungsabschnitten laufen will. Auch erzählt er viel von den Herbergen, in denen er stets unterkommt.
    Viele Menschen laufen diesen Weg offensichtlich in Lebensabschnitten, die Veränderungen bringen. Der Mangel an vielem und die Entbehrungen setzen die Wertmaßstäbe im Leben wieder neu fest. Eine warme Mahlzeit, trockene Kleidung, all das sind Vorzüge, die bei uns sonst oft keiner mehr zu würdigen weiß.
    Der junge Mann erzählt von seiner Zivildienstzeit, als er im sozialen Zentrum kranke, allein lebende Menschen betreute.
    Auch ist er glücklich darüber, dass er gesund und munter ist und in der Lage, diese körperliche Anstrengung des Weges auf sich zu nehmen.
    Das empfinde ich auch so, da ich auch Jahre der Krankheit hatte, und nun

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