Wenn nichts mehr ist, wie es war
Vor Schreck fuhr sie zusammen und hätte beinahe die Blumen fallen gelassen. Lan g sam und vorsichtig drehte sie sich um. Alles hätte sie erwartet, Zombies, Geister, Friedhofwärter, aber nicht das. Ein Ast der Trauerwe i de. Vor Aufregung und Erleichterung stiess Beth ein leises nervöses Kichern aus. Dann ging sie auf den Baum zu. Und wirklich, ein bisschen nach hi n ten versetzt, der Grund dafür, dass sie ihn nicht sofort gesehen hatte, stand ein Grabstein. Über die Jahre, die sich nie mand da r um gekümmert hatte, hatte sich nach und nach die Natur ihr Recht an dem Stein g e nommen . Er war braun von der E rde und grün vom Moos. Aber der Name war immer noch einigermassen lesbar. Pierre Clement. Beth kniete sich vor das Grab, wie ihre Tante damals. „Hallo Onke l chen. Hab gelesen ein Herzfehler soll schuld gewesen sein an deinem Tod. Ich glaube jetzt einfach einmal fest daran, dass das so auch z u trifft. Ich finde das alles sehr schade. Ich hätte dich gerne kenne n gelernt. Ausserdem möchte ich mich dafür entschuld i gen, dass ich erst jetzt komme. Aber wie sagt man so schön? Besser spät als nie!“ Zärtlich legte sie die Rosen nieder. „Warum ich gelbe g e kauft habe, weiss ich nicht. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, sie könnten dir gefa l len.“ Dann ra ppelte sich Beth wieder auf, küsste ihre Hand und legte sie auf den Grabstein. „A bientôt , P i erre! Ich werde wieder kommen, versprochen.“ Mit di e sen Worten wandte sie sich von dem Grab ab und begab sich auf den Rüc k weg. D en Blick immer auf den Boden direkt vor sich gerichtet, um nicht allfällige Hinderni s se zu übersehen, blieb sie dann und wann stehen, d amit sie sich so gut es in der Dunkelheit ging, in die Fe r ne orientieren konn te. Zu vertieft in die Aufgabe, den Pfad vor sich im Auge zu behalten schen k te Beth d em Umstand, dass an einer Stelle der Weg breiter wurde, bevor er sich dann wieder schmaler durch die Lan d schaft schlängelte , k eine Beachtung . So entging ihr auch, dass der Weg zu Pierre von ganz anderen Gra b steinen gesäumt gewesen war und sie schon längst wieder beim Ausgang hätte ankommen sollen. Stattdessen geriet sie immer tiefer ins Frie d hofsinnere und es wurde immer dunkler. Bis a uf einmal in der Dunkelheit etwas auf flackerte . Verdutzt blieb Beth stehen. Langsam bahnte sich der bereits seit längerem nagende und immer wieder tapfer ignorierte Gedanke, sich hof f nungslos verirrt zu haben, einen Weg in ihr Bewusstsein. Gegen das mu l mige Gefühl ankämpfend, wog sie ab, ob sie umkehren oder we i tergehen sollte. Alleine war sie offensichtlich so oder so nicht. Weiter in der Dunkelheit auf einem Friedhof herumzuirren , e r schien ihr allerdings genauso unattraktiv, wie Menschen zu b e gegnen, die irgendwelchen okkulten Ritualen frönten. Sie en t schloss, sich den Verursacher des Lichts etwas näher anzusehen und sich dann für eine Lösung zu entsche i den. Langsam schlich sie näher, aber sie konnte weder jemanden hören noch sehen. Also ging sie Getrieben von einem Gemisch aus Hoffnung, unbemerkt ve r schwinden zu können und reiner Neugierde immer weiter , bis sie schliesslich gegenüber der Kerze zum Stehen kam . Nachden k lich betrachtete sie im schwachen Schein den Grabstein dahinter. Vage erinnerte sie sich da r an, dass ihr dieser Stein schon einmal aufgefallen war , vor allem erinnerte sie sich aber an das kuns t voll darin eingelassene Portrait. Beth ging in die Hocke um sich das Bild noch einmal näher a n zusehen . Aber dann entdeckte sie etwas, was ihr bei ihrer ersten Begegnung nicht hatte auffallen können. Erschrocken fas s te sie sich an ihren Hals - an die Stelle, an der warm die Kette ihrer Tante ruhte. He k tisch nahm Beth die Kette ab und hielt sie in die Luft. Durch die Bewegung drehte sich der Anhänger mit den Rubinen im Ke r z enschein glitzernd hin und her . Es war das Kreuz aus den persönlichen Gegenstä n den ihrer Tante . Und auch d asselbe Kreuz, wie es die Frau auf dem Foto trug. „Was hat das zu bedeuten?“ Leise flüsternd star r te Beth g ebannt das Bild in dem Stein an , während sie die Kette vorsichtig in die offene Handfläche gle i ten liess.
„ Eine schöne Kette, nicht wahr? “
Beth stockte der Atem. Sie hatte nicht bemerkt , dass j e mand hinter sie getreten war, doch jetzt nahm sie die A n wesenheit der Person in ihrem Rücken umso deutlicher war. Leider zu spät, wie sie bald feststellen wü r de.
„Sie hat an deiner Tante auch ganz
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