Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
Vom Netzwerk:
stützte sie mit seinem gesunden Arm und zog sie in den Wald hinein. Kiefernnadeln raschelten, doch nicht nur unter ihren Schritten. Zwei Männer hatten die Verfolgung aufgenommen und rutschten soeben jenen Hang hinab, den sie binnen Sekunden bewältigt hatten und das weitaus schneller, als ihnen lieb gewesen war. Daniel zog eine Spur aus Blut hinter sich her, doch es kümmerte ihn nicht. Er zog sie weiter, so behände, als wäre seine Wunde kaum mehr als ein Kratzer, während Elena glaubte, bei jedem Schritt von Dutzenden Messern durchbohrt zu werden.
    Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Stattdessen lief sie weiter, einfach immer weiter, bis die Kiefern so dicht standen, dass das grelle Sonnenlicht gedämpft wurde. Der Ozean war so nah, dass sie seine Gischt in der Luft zu spüren meinte. Vor ihnen tauchten Felsen auf, verwittert und zerschunden. Sie überzogen eine Anhöhe, die dem fernen Donnern nach zu urteilen schroff zum Meer hin abbrach. Vielleicht würden sie sich im Schutz dieses Labyrinths verstecken können. Und vielleicht würde es ihnen gelingen, ihre Verfolger zu überwältigen. Die Chancen standen schlecht, denn sie beide waren verletzt, doch Elena klammerte sich an diese Hoffnung wie an ein Rettungsseil.
    Ohne auf die Schmerzen zu achten, erklomm sie den schroffen Stein und tauchte in das Gewirr aus Felsen, Sträuchern und engen Schluchten ein. Daniel blieb dich hinter ihr, trieb sie hin und wieder sogar an, wenn sie zu lange brauchte, um ein Hindernis zu überwinden oder sich für eine Richtung zu entscheiden. Geschmeidig zog er sich an den Steinen hoch oder glitt an ihnen hinab, ohne dass sein unbrauchbarer Arm ihn zu behindern schien. Seine Bewegungen waren die einer Raubkatze. Mühelos, federnd und Elenas Plumpheit verspottend.
    Schließlich, als die Felsen an einer zerklüfteten Wand endeten, gab es keinen Ausweg mehr. Nach Atem ringend ging sie zu Boden, während Daniel sich ihr gegenüber setzte, die Augen schloss und tief durchatmete.
    „Was tun wir jetzt?“
    „Ich brauche Zeit“, antwortete er leise. „Sei einfach still, ja? Sag nichts und beweg dich nicht.“
    „Was soll das werden?“
    „Ich will mich heilen, das soll es werden. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass meine Kräfte stärker geworden sind. So schnell wie der Stich ist noch keine Wunde geheilt. Also, tu einfach so, als wärst du nicht hier. Ich muss mich konzentrieren.“
    Elena tat, was er von ihr verlangte, so schwer es auch fiel. Fern vernahm sie das Keuchen und Fluchen der Männer. Falls sie sie hier fanden, saßen sie in der Falle. Doch es gab noch immer ihre SIG Sauer und Daniels fünfundvierziger Magnum. Ihre Chancen, so hoffte sie wenigstens, waren ausgewogen.
    Ein leises Knirschen erklang. Elena starrte auf Daniels Arm, den er waagerecht vor seine Brust hielt. Die Blutung schien zu stoppen. Vorsichtig griff er nach seinem Unterarm, knapp unter der Wunde, und ehe Elena begreifen konnte, was er vorhatte, vollführte er einen heftigen Ruck. Knackend rutschte der Knochen zurück in sein Bett aus Fleisch.
    „Herr im Himmel!“ Spontan krempelten sich ihre Eingeweide um. Sie fuhr herum, würgte, stieß einen Fluch aus und fuhr wieder herum, den widerlichen Geschmack von Magensäure auf der Zunge. Das Furchtbarste war nicht einmal der Anblick aus zusammenwachsendem Fleisch, es waren die Geräusche. Das feine, kaum hörbare Knacken. Irgendetwas Feuchtes, Schabendes. Und das Tropfen von Blut, denn Neuentstehung schien ebenso ihren Tribut zu fordern wie Zerstörung.
    Schließlich, als Elena bereits mit dem Gedanken liebäugelte, die Flucht zu ergreifen, öffnete Daniel die Augen und sah sie an. Sein Arm war komplett verheilt. Lediglich eine helle, sternförmige Narbe zeugte von der schrecklichen Wunde.
    „Ich wäre dann fertig. Können wir?“
    „Von mir aus.“
    Er umfing sie – ausgerechnet mit dem Arm, der zuvor noch ein Brei aus Fleisch und Knochen gewesen war –, zerrte sie hoch und manövrierte sie durch das Labyrinth aus Felsen. Dreimal verharrte er abrupt, legte den Zeigefinger auf seine Lippen und lauschte, beim vierten Mal stieß er sie grob beiseite, sprang vor und drehte einem Mann, der plötzlich vor ihnen auftauchte, mit einer blitzschnellen Bewegung den Hals um. Als der Tote zu Boden fiel, landete er auf dem Bauch. Sein verzerrtes Gesicht, verdreht um 180 Grad, starrte aus leeren Augen zu ihr auf.
    In ihrem Leben hatte es nicht viele Anblicke gegeben, die ähnlich abscheulich und skurril gewesen

Weitere Kostenlose Bücher