Wenn nur noch Asche bleibt
erklären“, sagte er. „Nur, um dir die Dramatik der Situation näher zu bringen. Bei meinem Outing habe ich nämlich ein bisschen Schönmalerei betrieben.“
„Schieß los.“ Sie fühlte keinerlei Angst. Nur ungern gestand sie sich ein, dass es in erster Linie an Daniels Nähe lag. Ein Teil in ihr, der entweder richtig lag oder völlig verblendet war, flüsterte ihr ein, dass ihr nichts geschehen konnte, solange dieser Mann bei ihr war.
„Gelingt es Durat, mich in die Finger zu bekommen, bedeutet das das Ende der Welt.“
Elena konnte nicht umhin, zu kichern. „Das ist ja wohl das Mindeste.“
„Das ist nicht witzig.“ Daniel schaffte das Kunststück, sie durchdringend anzusehen und zugleich den Land Rover die gewundene Straße entlangzumanövrieren. „Es ist mein Ernst.“
„Stimmt, das ist nicht witzig. Das ist sehr witzig.“
„Durat wird uns beide verbrennen, Elena. Sobald er meine Kraft in sich aufnimmt, weiß er, wo sich der dritte Kristall befindet. Findet er ihn und vereint ihn mit den beiden anderen, entsteht eine Energie, die so gewaltig ist, dass sie die Erde brennen lässt. Und damit meine ich nicht einfach eine Feuersbrunst. Dieser Planet würde völlig aus den Fugen geraten. Er würde verglühen in einem Inferno aus Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Flammen.“
Das Grinsen blieb ihr im Halse stecken. Seine Stimme und sein Blick waren derart hart und erschreckend kalt, dass sich sämtliche Härchen ihres Körpers aufstellten. „Du meinst das ernst, oder?“
„Absolut. Stell dir die Erde wie einen riesigen Resonanzkörper vor. Eine falsche Schwingung und er zerspringt. Seit die beiden Kristalle gestohlen wurden, gerät das Gleichgewicht der Erde aus den Fugen. All die Naturkatastrophen der letzten Jahre sind ein Zeichen dafür, dass die Entwicklung in das Endstadium übergeht.“
„Wann wurden die Kristalle gestohlen?“
„Im neunzehnten Jahrhundert.“
„Das ist lang her.“
„Na und? Die Erde tickt in einem anderen zeitlichen Rahmen als der Mensch. Ein paar Jahrzehnte sind im Zeitempfinden des Planeten nichts. Das Gleichgewicht wurde gestört und die Destruktivität des Menschen stößt das negative Pendel zusätzlich an. Wir sorgen durch all unsere Angst, durch all unseren Hass und unsere Gier dafür, dass die ganze Sache noch schneller aus den Fugen gerät.“
„Wir beschleunigen das Pendel durch unsere Gefühle?“
„Betritt einen Raum, in dem alle schlechte Laune haben.“ Daniels Blick zeigte eine Art von nachsichtigem Spott. „Du musst in kein Gesicht sehen, um die dicke Luft zu spüren. Negative Gefühle verursachen negative Schwingungen. Rechne das mal auf sieben Milliarden Menschen hoch.“
„Das geht eindeutig ins Metaphysische.“
„Stimmt. Man kann es nicht anfassen, aber es ist trotzdem wahr.“
Daniel schwenkte scharf nach links, die Pinien lichteten sich, und plötzlich rasten sie entlang der Küstenstraße.
„Was tun wir denn jetzt?“ Elena raufte sich die Haare. „Wir können nicht ewig vor ihnen davonlaufen.“
„Das habe ich auch nicht vor.“ Er trat das Gaspedal durch und raste in halsbrecherischer Geschwindigkeit die Serpentinen entlang. Was dynamische Fahrten betraf, besaß sie einige Erfahrungen, doch Daniels Fahrstil ließ ihr das Blut aus dem Gesicht sacken. „Ich will nur selbst entscheiden, wo wir uns ihnen stellen.“
„Hast du schon etwas im Auge?“
„Ja.“
Er ließ offen, worum es sich handelte. Bis zum Mittag folgten sie wortlos der Küstenstraße, immer weiter gen Norden, und während Daniel offenbar in seiner ganz eigenen, für Normalsterbliche kaum nachvollziehbare Gedankenwelt eintauchte, versuchte Elena, ihr neues Wissen zu verarbeiten. Es gelang ihr nur rudimentär. Klammerte man einmal die Tatsache aus, dass drei Wahnsinnige hinter ihnen her waren, um sie beide zu verbrennen und die Kraft eines magischen Kristalls in sich aufzunehmen, wäre diese Fahrt ein perfekter Ausflug gewesen. Die Sonne strahlte, das Meer zog glänzend blau und türkis an ihnen vorüber. Sommergefühl lag in der Luft, doch die Unbeschwertheit, die wie ein sanfter Schleier über der Welt lag, schmeckte diesmal bitter. In einem anderen Leben hätten sie irgendwo angehalten, um am Strand oder im Schatten der Pinien in den Nachmittag hineinzudämmern. Sie wären schwimmen gegangen, hätten die Leichtigkeit des Daseins genossen und sich gegenseitig verwöhnt. Elena seufzte vor Sehnsucht. Da schalt sie Daniel für seinen Schwächeanfall, und noch
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