Wenn nur noch Asche bleibt
brachte. Elena hastete zum Fenster. Doch auch diese Hoffnung zerschellte. Es ging wenigstens zehn Yards abwärts, und nirgendwo gab es eine Möglichkeit, hinabzuklettern. Die Felsen, an die das Haus auf der hinteren Seite grenzte, waren zu weit entfernt, und selbst wenn sie sie hätte erreichen können, wären sie zu glatt gewesen, um daran hinabzuklettern.
Wieder rannte sie zurück zur Tür. Geschrei und Gehämmer waren kontraproduktiv, also legte sie das Ohr an das Holz und lauschte. Zunächst tat sich nichts. Die Stille summte höhnisch in ihren Ohren.
„Mistkerl!“, zischte Elena. „Wenn wir das überleben, bringe ich dich um.“
Ein Poltern erklang, gefolgt von einem Krachen. Es klang, als hätte jemand die Tür eingetreten. Einem Atemzug der Stille folgte ein kaum hörbarer, dumpfer Schlag, gefolgt vom Geräusch eines Körpers, der zu Boden geworfen wurde. Glas klirrte. Gegenstände fielen zu Boden.
„Daniel!“ Elenas Beherrschung löste sich in Luft auf. Angst flutete ihren Kreislauf mit Wellen prickelnden Adrenalins. „Daniel! Lass mich raus!“
Draußen wurde gekämpft. Sie hörte gedämpftes Keuchen, Stöhnen und Knurren, unverständliche Flüche und dumpfe Schläge. Dann wieder Stille … gefolgt von Schritten, die die Treppe hochrannten.
War es Daniel? Oder einer der Männer, die hinter ihnen her waren? Wer auch immer es war, er stolperte und krachte zu Boden. Ein harter Gegenstand polterte gegen die Tür, so laut, dass Elena zurückzuckte. Dann wieder ein Schlag, gefolgt von einem Geräusch, als zerbrächen Knochen unter einem brachialen Hieb. Elena hielt es nicht mehr aus. Wut trieb ihr die Tränen in die Augen. Verzweifelt hämmerte sie, gleichgültig, was sie jenseits der Tür erwartete. Sie schrie Daniels Namen, wieder und wieder, hörte ihr Schluchzen und empfand eine seltsame Befremdlichkeit, denn das letzte Mal hatte sie sich selbst so erlebt, als ihre Mutter sie das erste Mal vor die Tür gesetzt hatte.
Plötzlich erklang das Geräusch des Schlüssels. Die Tür wurde aufgestoßen, eine Hand zuckte herein und schnappte nach ihr.
„Hau mir später eine runter, okay?“ Daniel zog sie so unsanft die Treppe hinab, wie er sie hinaufgezogen hatte.
Er humpelte, schien ansonsten jedoch unverletzt. Die nassen Flecken auf seinem schwarzen Hemd stammten, wie Elena im Erdgeschoss sah, nicht von ihm – sondern von zwei Männern, die er mithilfe eines Bambusstockes übel zugerichtet hatte. Blutlachen breiteten sich auf dem Parkett aus. Ein dritter Mann lag quer über dem Sofatisch und stöhnte.
„Sie waren zu sechst. Los, komm.“
Daniel zog sie nicht zur Eingangstür, sondern an der Küche vorbei in einen kleinen, dunklen Gang. Als er eine in der Finsternis kaum auszumachende Tür öffnete, fanden sie sich in der Garage wieder. Ein schwarzer Land Rover wartete auf sie. Wahrhaft, es hätte schlimmer kommen können. Elena riss die Beifahrertür auf und sprang hinein. Sie hatte sich kaum angeschnallt, als Daniel bereits neben ihr saß, das Tor per Knopfdruck auslöste und den Motor des Geländewagens aufröhren ließ.
„Man sagte mir, du seist verrückt nach Abenteuer.“ Sein Grinsen war falsch und triefte vor Herausforderung. „Bitte schön, jetzt stillen wir deinen Hunger. Halt dich fest und genieß die Fahrt.“
Er trat das Gaspedal durch und jagte den Wagen in den anbrechenden Morgen. Kies und Sand wirbelten in einer gewaltigen Fontäne auf. Flüchtig sah Elena eine in Schwarz gekleidete Gestalt, die über die Veranda stolperte und in ein Handy brüllte. Sie verstand kein Wort, doch das war kaum nötig. Ohne Frage forderte dieser Mann Verstärkung an. Der Land Rover vollführte eine scharfe Rechtskurve und bog in den Waldweg ein. Zwischen den Kiefern entdeckte Elena zwei Wagen – nagelneue, dunkelgrüne Grand Marquis’. Ohne Frage mehr als geeignet, mit dem Land Rover Schritt zu halten, zumindest auf befestigten Straßen.
„Du solltest dich für offroad entscheiden.“ Elena fühlte sich vom Adrenalinrausch wie benommen. Wurde sie allmählich zu einem Junkie? „Auf asphaltierten Straßen dürften die dort schneller sein.“
Daniel warf ihr einen Seitenblick zu, der unter den gegebenen Umständen in seiner jungenhaften Belustigung geradezu unverschämt aufreizend wirkte. Souverän lenkte er den Wagen die verschlungene Straße entlang, die kaum mehr war als ein Waldweg. Der Kiefernwald raste in einem irrwitzigen Kaleidoskop an ihnen vorbei.
„Ich sollte dir vielleicht mal etwas
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