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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Seins.

KAPITEL II
Schatten

    Das Leben ist ein Schachbrett nur.
Schwarz und weiß wie Nacht und Tag,
wo das Schicksal mit den Menschen wie mit Figuren spielt.
Sie nach Lust verschiebt, verbindet und zerstört,
und einen nach dem anderen zurück ins Kästchen legt.
    (Omar Khayyám)

    Maine/USA, Portland Police Department, 10. Mai 2011
    „S
ir, ich …“
    Elenas Empörung war zu groß, um sie in Worte zu fassen. Die Hemmschwelle, die sie von einer unflätigen, die Kündigung herbeiführenden Äußerung trennte, wurde hauchdünn. Im Geiste legte sie sich bereits Schimpfwörter zurecht. Mistmade, Hornochse, machtgeiles Walross, Aasgeier, Ausgeburt der Hölle.
    „Keine Widerrede.“ Ihr Gegenüber lehnte sich mit selbstgefälligem Lächeln zurück. „Sie schmeißen sich mit ihm zusammen und werden brav, oder die Zwangsversetzung wird in den Schatten eines viel größeren Problems treten. Beeilen Sie sich. Der Mönch dürfte nicht mehr lange anwesend sein. Büro Nummer zehn. Drittes Stockwerk.“
    „Der Mönch?“ Elena biss sich auf die Unterlippe. Was zum Teufel sollte das schon wieder bedeuten? War sie in einem Kabarett gelandet?
    „Richtig gehört“, schnauzte der Lieutenant. „Und jetzt gehen Sie. Sonst vergess ich mich.“
    „Sir.“ Elena machte auf dem Absatz kehrt und widerstand unter großer Mühe der Versuchung, die Bürotür zuzuschlagen. Obwohl es ihr Tränen des Schmerzes in die Augen trieb, belastete sie ihr versehrtes Bein, um aufrechten Ganges und nicht humpelnd das Weite zu suchen. Dem Chefbüro entronnen, besorgte sie sich aus dem riesigen Kaffeecomputer – dem einzig positiven Effekt ihrer Versetzung – einen Latte macchiato und stattete Violet einen Besuch ab. Violet war der Mensch, dem das Kunststück gelungen war, sich innerhalb von zwei Tagen ihre Sympathie zu erarbeiten. Aufgrund ihrer drallen Rubensschönheit hatte man diese Frau mit dem Spitznamen Erdbeersahneschnitte geschlagen, was, wie Elena zugeben musste, passte wie die Faust aufs Auge. Sie saß rechts von ihrem jämmerlichen Großraumbüro-Schreibtisch, naschte den gesamten Tag und schaffte es, durch einen einzigen Blick gute Laune zu verströmen.
    „Hast du Drogen?“ Mit einem Seufzer ließ sie sich auf der Kante des Schreibtischs nieder und setzte ihre theatralischste Leidensmiene auf. Möglicherweise hatte der Mönch bereits das Weite gesucht. Sie musste nur genug trödeln. „Ich brauche irgendwas, womit ich mich wegbeamen kann.“
    „Ist das Gespräch nicht gut gelaufen?“
    Violet lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Dekolleté. Sie strahlte genau jene freundliche Duldsamkeit aus, die Elena bitter nötig hatte. Insgeheim entschied sie, ihre neue Freundin noch diese Woche zum Essen einzuladen. „Er hat mir einen Partner aufgebrummt“, knurrte sie. „Verdammt, die Welt muss die Hölle einer anderen Wirklichkeit sein.“
    „Falsch. Die Hölle ist ein Elvis-Konzert.“ Auf reizende Weise spielte sie mit einer Strähne ihres tizianroten, langen Haares, um das sie vermutlich jede Frau im Department beneidete. „Smith ist manchmal gnadenlos, das stimmt. Aber er tut nie etwas ohne triftigen Grund. Ich nehme an, du wurdest nicht grundlos versetzt?“
    Elena wand sich unter dem sanften, fordernden Blick. Diese Frau ließ ihre Fassade in bedenklichem Maße bröckeln und besaß ein unleugbares Radar für die Wahrheit.
    „Ich … ähm …“ Unwillkürlich strich sie über ihr linkes Bein. Seit es vor drei Monaten knapp oberhalb des Knies von einer Kugel durchschlagen worden war, schmerzte es unaufhörlich. Mal dumpf und erträglich, mal so heftig, als würde ein Sadist sie mit fingerdicken Nadeln spicken. Es war das Mal ihres Versagens. Die Brandmarkung ihrer Schuld. „Na ja, ich neige dazu, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Bei meinem letzten Einsatz sorgte das dafür, dass zwei meiner Kollegen angeschossen wurden. Und ich. Kurz zusammengefasst überschritt ich meine Kompetenzen, wollte die Sache beschleunigen und fuhr den Karren so richtig in den Dreck.“
    Violet zeigte sich wenig beeindruckt. „Das tut mir leid. Darf ich fragen, mit wem unser Leithengst dich verkuppeln will?“
    „Er nannte ihn nur den Mönch. Abgefahren, oder? Er sieht aus, als würde er Bulldoggen die Eier kraulen, aber Humor scheint er zu haben.“
    Violet klappte der Kiefer nach unten. Sie machte ein Gesicht, als hätte Elena ihr soeben verraten, dass ihre wahre Heimat jenseits des Sonnensystems lag.

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