Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
Vom Netzwerk:
ihm.“
    Elenas Beherrschung brach zusammen. Kalte Fassungslosigkeit durchdrang ihre heiße Wut. Noch dazu zuckte ein brennender Schmerz durch ihr versehrtes Bein, der sie mehrmals stolpern ließ. Der Mönch nahm diesen Umstand mit offensichtlicher Neugier zur Kenntnis, während er erneut mit verzogenem Gesicht seinen Bauch umfasste, als wäre ihm übel. Sie hoffte sehr, dass es so war.
    „Also gut“, spie sie ihm entgegen. „Jetzt weiß ich, dass mir eine Kündigung lieber ist, als mich mit einem egozentrischen Vollpfosten wie Ihnen herumzuschlagen. Fahren Sie zur Hölle, aber tun Sie’s richtig.“
    „Sehen Sie es positiv. Besser man macht die Fehler, aus denen man was lernen kann, so früh wie möglich.“
    Agent Natali grinste und aß seine Nudeln. Wunderbar. Damit war die Sache also geklärt. Es bedurfte keiner weiteren Diskussion. Elena suchte das Weite, ließ dem Drang, die Tür lautstark zuzuwerfen, freien Lauf und lehnte sich draußen schwindelnd vor Empörung gegen die Wand. Ihr Herz raste. Hitze pulsierte in ihrem Kopf. Verfluchter Mist! Dieser Teufel hatte sie nach allen Regeln der Kunst abserviert. So drastisch hatte man sie schon lang nicht mehr abblitzen lassen. Nein, korrigierte sie sich, so drastisch war sie noch nie abgeblitzt worden. Normalerweise war sie ein Ausbund an Beherrschung, doch der Unfall, die Strafversetzung und der Umzug hatten ihre sonst starken Nervenseile in seidene Fäden verwandelt. Sie konnte nicht noch mehr Ärger gebrauchen. Elena trat mit einem Fuß gegen die Tür, dass es nur so polterte. Dann ein zweites und drittes Mal. Sie hasste es, abserviert zu werden. Sie hasste, hasste, hasste es!
    „Sie sollten dringend Ihre innere Mitte finden“, erklang es von innen.
    „Ich bin fertig. Mit Ihnen und diesem scheiß Tag.“ Elena hieb mit der flachen Hand gegen die Tür. „Scheiß Laden. Scheiß Tag. Leck mich!“
    „Gern.“ Sie hörte den Mönch lachen. „Kommen Sie rein und machen Sie sich frei. Aber erst, wenn Sie sich beruhigt haben.“
    Elenas Wutschrei blieb ihr im Hals stecken. Ihr Temperament kochte, umso mehr, da das Gesicht dieses Idioten in ihrem Kopf herumgeisterte und Prozesse in ihrem Körper in Gang setzte, die sie absolut nicht gebrauchen konnte. Seine orientalisch schönen Augen waren ungeachtet der demonstrierten Gefühlskälte warm. Gleichgültig. Solche primitiven Anwandlungen widersprachen ihrem Stolz. Es war vorbei. Elena schwor sich, dieses Büro niemals wieder zu betreten.

    Die wahre Kunst war es, in der Zivilisation die Harmonie des Qi aufrecht zu erhalten. Qi, die fließende Energie des Lebens.
    Jahrelanges Training, darauf abzielend, diese Energie zu regulieren und zu optimieren, bewahrte Daniel nicht davor, in Wut zu schwelen. Großmeister Zongyou hätte die Stirn gerunzelt und den Kopf über solche Disharmonie geschüttelt, doch es war eine Sache, in der Einsamkeit der chinesischen Bergwelt über dem Lauf der Welt zu existieren oder sich im Chaos des modernen Alltags mit Menschen herumschlagen zu müssen, die von Ausgeglichenheit Lichtjahre entfernt waren und nichts weiter zu tun hatten, als ihre Gehirne und ihr Umfeld mit negativen Frequenzen zu verstopfen.
    Ihm verkaufte man auch keine verdorbenen Nudeln, die einen dazu zwangen, peinliche Sitzungen auf der Department-Toilette abzuhalten. Glücklicherweise hatten sich seine Eingeweide erst umgekrempelt, nachdem sein unerwarteter Besuch verschwunden war. Der Gedanke, vor den Augen der Frau unkontrollierbaren Verdauungsgasabgängen zu frönen und einen Sprint zum Klo hinzulegen, war schon in der Theorie unerträglich.
    Statt der Erhabenheit der gewaltigen, kosmischen Einheit schmeckte er nur die Nachwirkungen seines verdorbenen Magens. Die Menschenwelt in all ihrer Hektik und Belanglosigkeit war geradezu lächerlich. Die Probleme, die sie sich selbst erschufen. Die Hast, mit der sie ihr ohnehin kurzes Leben erfüllten. Ihre Unwissenheit und Verblendung. Vor allem aber ihre Angst. Es gab Tage, an denen er all das nicht mehr ertragen wollte. Er fühlte sich verloren. Wie ein Gestrandeter in einer Welt, die ihn langsam auffraß. Im Grunde war es so einfach. Er hatte erfahren, wie selbstverständlich sich Frieden und Harmonie anfühlen konnten. Er hatte die Zeitlosigkeit des Seins erfahren, aber hier, im Strudel der modernen Zivilisation, regierte nur eines: das endlose Streben nach mehr. Mehr Geld, mehr Macht, mehr Angst. Es war ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Er

Weitere Kostenlose Bücher