Wenn nur noch Asche bleibt
Christine hätte vor Verblüffung fast den Eidechsenstift fallen gelassen. „Ja. Geht es Ihnen genauso?“
Daniel nickte und ignorierte Elenas scharfen Blick. „Mir geht es so und einigen anderen, die ich kennenlernen durfte, ebenfalls. Fahren Sie bitte fort.“
„Gut, also … ich vertraute diesem Mann sehr schnell.“ Christine malträtierte ihr Ohrläppchen, während sie Daniel anstarrte wie ein unter Drogen gesetztes Huhn den Kochtopf. „Er verdrehte mir den Kopf, aber nicht auf die Art, wie Sie es vielleicht erwarten. Ich traf mich mit ihm, um zu reden. Um verstanden zu werden. Ganz still und heimlich schlich er sich in meinen Geist ein, bis ich in seiner Wärme zerfloss und reagierte wie diese metallene Kugel.“
„Welche metallene Kugel?“, fragte Elena.
„Sie kennen doch dieses Spielzeug. Man hebt eine Kugel, lässt sie gegen die anderen schlagen, und die Kugel am anderen Ende tut das, was ihr Zwilling zuvor getan hat. Der Name dieser Konstruktion fällt mir nicht ein. Jedenfalls kann die Kugel nichts dagegen tun. Der Unterschied zwischen mir und ihr war nur der, dass das Prinzip nicht umgekehrt funktionierte.“
„Aha.“ Elena bestätigte die Zeugin mit einem Nicken. Weil man es ihr so beigebracht hatte, nicht aus echtem Verständnis. Daniel wiederum nahm den Grundsatz des Umschmeichelns eindeutig zu ernst. Die Art, wie er kokett mit Blicken und Gesten spielte, brachte nicht nur Elena zum Schwitzen. Momentan wippte er in seinem Sessel vor und zurück und tippte sich mit dem Zeigefinger auf die gespitzten Lippen.
„Ehe ich begriff, was mit mir geschah, war ich ihm bereits verfallen.“ Christine räusperte sich beschämt und blickte auf ihren Stift hinunter. „Ich hing an seinen Lippen. Ich erkannte Wahrheit in jedem seiner Worte. Als er mich zum ersten Treffen mitnahm, fühlte ich mich geborgen. Ich war umgeben von Menschen, die wie ich dachten und fühlten. Uns alle hatte er eingesponnen in einem Netz aus …“ Christine verstummte. Sie schüttelte den Kopf, als formulierte sie in ihrem Kopf vor und verwürfe mehrere Erklärungsversuche.
„Jeder Mensch“, fuhr sie schließlich fort, „besitzt seine eigene Frequenz. Sind wir glücklich, beschleunigt sich diese Frequenz. Trauern wir oder sind unglücklich, verlangsamt sie sich. Lieben wir, erreicht unsere Frequenz die höchste Ebene. Jeder besitzt die Macht, andere Menschen mit seiner Schwingung zu beeinflussen. Der eine mehr, der andere weniger. Die meisten tun es unbewusst. Dieser Mann kannte seine Macht, und er legte sie in alles, was er tat. Wir waren Resonanzkörper, die unter seinem Einfluss schwangen, und es gab nichts, was wir dagegen tun konnten. Als ich bei der ersten Opferung dabei war, dachte ich an nichts Böses. Ich stand nicht dort, um jemanden leiden zu sehen. Sondern ich kam, um einer Erlösung beizuwohnen.“
„Was für eine Erlösung? Hey, was soll das?“ Elena fuhr zu Daniel herum, als er unsanft ihr Bein festhielt. Drohend funkelte sie ihn an.
„Es stört mich, wenn du ständig damit herumzappelst“, beschwerte er sich. „Hör auf damit.“
„Ich kann nicht anders.“
„Doch, du kannst.“ Er drückte ihr Knie noch eine Spur fester. Allein Christines Anwesenheit sorgte dafür, dass sie nicht mit einer Ohrfeige reagierte. „Also, was meinen Sie für eine Erlösung?“
„Der Wechsel in die vierte Dimension“, sagte die Frau. „Reine Seelen sterben im Feuer, um ihr Dasein in diesem unvollkommenen Zustand zu beenden und aufzusteigen. In ein Leben, das losgelöst ist von den Schlechtigkeiten dieser Welt.“
Elena schnaufte und öffnete den Mund zu einer abfälligen Erwiderung, doch Daniel gab ihr durch einen kurzen Ruck an ihrem Knie zu verstehen, dass sie still sein sollte.
„Ich habe von diesem Wechsel gehört“, sagte er mit einem Zucken seiner Mundwinkel, das nicht Christine, sondern ihr galt. „Es heißt, dass jene Menschen, die ihr Bewusstsein erweitern konnten, in die vierte Dimension aufsteigen. Dort existieren nicht nur sechs Sinne, sondern weitaus mehr. Es ist eine globale Reinigung, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholt. Doch nur gereifte Seelen können diese Reise antreten.“
„Tse …“, zischte Elena.
„Würde der Mensch nur von Dingen reden, die er versteht, wäre die Erde bald in Schweigen gehüllt. Selbst angesehene Wissenschaftler sprechen inzwischen von Multidimensionalität, Paralleluniversen und Multiversen“, fuhr Daniel seelenruhig fort. „Jahrtausende alte
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