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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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wurde mit jedem Atemzug verlockender.
    Sie würden diese Seele nicht bekommen. Niemals. Denn sie gehörte ihm. Nur ihm allein. Verrat gebar Verrat. So war es und würde es immer sein.
    Als die Tür des Kellerraumes aufgestoßen wurde, wandte er sich nicht um. Es konnte nur eine Person sein, die ihn hier und jetzt aufsuchte.
    Niemals!, säuselte die Stimme in seinem Kopf. Immer manischer und eindringlicher. Niemals, niemals, niemals. Wenn er mir nicht gehört, soll er niemandem gehören.
    „Kommst du?“, sagte eine Stimme hinter ihm. „Wir sind spät dran. Hey, was hast du da?“
    Langsam wandte er sich zu dem Jungen um. Noch immer ruhten seine Lippen auf dem Elfenbein. „Ein Blasrohr“, antwortete er leise.
    „Ein Blasrohr? Was zum Teufel treibst du die ganze Zeit hier unten? Wozu soll das gut sein?“
    „Ich forsche an einigen Dingen. Nichts Besonderes.“
    „Wie wäre es, wenn du dein Studienfach wechselst? Für mich sieht es so aus, als hättest du dir das falsche Fach ausgesucht.“
    „Nicht nötig.“ Er lächelte und ließ die Waffe sinken. In ihrem Inneren glänzte der vergiftete Dorn. „Ich habe schließlich dich. Niemand könnte mich besser unterrichten. Keine Vorlesung könnte spannender sein als unsere Gespräche und nächtlichen Experimente.“
    „Danke.“ Der Junge neigte errötend den Kopf. „Und was hast du mit diesem Ding vor?“
    Statt einer Antwort setzte er das Rohr an die Lippen, zielte und blies hinein. Lautlos drang der Dorn in die Kehle seines Freundes ein, so tief, dass nur noch ein winziges Stück Holz aus dem Fleisch ragte. Es sah aus wie eine dunkle Perle. Das einsetzende Röcheln und Keuchen währte nur Sekunden. Seufzend ging der Junge in die Knie, sackte zur Seite und streckte sich auf dem Boden aus. Er tat es langsam, fast genüsslich. Wie ein Liebhaber, der sich nach Berührungen sehnt. In seinem Geiste lag ein anderer Mann dort, wartete, dass er zu ihm kam und ihm das gab, wonach er sich sehnte. Der Brustkorb seines Freundes hob und senkte sich unter hektischen Atemstößen. Die Wirkung des Giftes setzte schnell ein. Viel schneller, als er es erhofft hatte.
    „Was zum Teufel … scheiße Mann … das ist abgefahren … ich sehe … oh Gott, ist das geil!“
    Gemächlich nahm er ein Skalpell aus dem Instrumentenkasten, setzte sich auf seinen paralysierten Freund und schob dessen Pullover hoch. „Es tut mir leid“, säuselte er. „Aber ich muss wissen, ob es richtig ist. Für die Vollkommenheit. Für die Erlösung. Irgendwann wirst du es verstehen.“
    Tief in die Augen seines Freundes blickend, setzte er die Klinge an und zog sie über den entblößten Bauch. Fleisch klaffte auf wie eine überreife Frucht, Blut ergoss sich auf den Boden. Doch die Miene des Jungen veränderte sich nicht. Verzückung lag in seinen Augen. Hingabe und selige Verbundenheit mit einer Kraft, die weit über allem Körperlichen stand. Es war perfekt.
    „Ich habe jeden Augenblick mit dir genossen“, flüsterte er seinem Freund ins Ohr. „Deswegen hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst.“
    Er durchtrennte mit einem einzigen Schnitt die Kehle des Jungen. Blut schoss in konvulsivischen Schwallen hervor, besudelte sein Hemd und schwängerte die abgestandene Luft des Kellerraums mit süßem Kupferaroma. Das Lächeln des Sterbenden hielt an, und schien zu gefrieren. Man nannte es das sardonische Lächeln, angelehnt an eine uralte Tradition. Im Sardinien der Antike war es üblich gewesen, Alte und Kranke mit Drogen abzufüllen und über die Klippen ins Meer zu stoßen. Man sah dabei zu und lachte, während die Kräuter im Blutkreislauf der Todgeweihten dafür sorgten, dass sich ihr Gesicht zu einer lächelnden Fratze verzog.
    Der Tod seines Freundes war perfekt. Zufrieden zog er die Latexhandschuhe aus, hauchte einen Kuss auf die Stirn des Jungen und packte zusammen, was er brauchte. Viel war es nicht. Eines der Schwerter, das Gift und seine Brieftasche. Alles, was er für das neue Leben brauchte.
    00:20 Uhr, 51 Wharf Street, Portland
    M
it Interesse sah sich Daniel in ihrer Wohnung um. Seinem Gesicht war unmöglich anzusehen, was er über dieselbe dachte. War es ihm zu schlicht? Zu unaufgeräumt? Elena mochte kühle Farben und klare Formen, vermutlich ganz im Gegensatz zu ihm. Während sein Haus einem asiatischen Tempel nachempfunden war, glich ihr Refugium einem Raumschiff, dominiert von Silber, Grau und Weiß. Gerahmte Drucke von Wiltshire-Kornkreisen schmückten die Wände, chromglänzende

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