Wenn nur noch Asche bleibt
ein Wort zu wechseln, suchten sie die Umkleidekabinen auf, tauschten die geschäftsmäßige Kleidung gegen olivfarbene Overalls, schusssichere Westen und schwere, schwarze Stiefel. Eine seltsame Kraft durchströmte Elena, während sie Daniel musterte. War es, weil sie dieselbe Kleidung trugen und dasselbe Ziel verfolgten? Weil sie jetzt sein Geheimnis kannte und er ihr zu vertrauen schien? Da war ein Band zwischen ihnen, dessen Stärke ihre Angst milderte. Solange er bei ihr war, fühlte sie sich sicher. Elena lächelte ihm zu, als sie synchron ihre Waffen anlegten. Es war ihr Signal, dass sie ihn als das akzeptierte, was er war. Und dass sie bereit war, an seiner Seite zu kämpfen.
Wärme sickerte in ihr Herz, als er dieses Lächeln erwiderte.
„Was wolltest du sagen, als ich dich unterbrochen habe?“, fragte sie. „Du weißt schon. Kurz, nachdem ich dich bei deinem kleinen Trick erwischt habe.“
Er schien nachzudenken. Seine schokoladenbraunen Augen ruhten sanft auf ihr. „Ich wollte sagen, dass ich mich in deiner Nähe wohlfühle. So wohl, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, was ich tat.“
Elena spürte eine Regung, die unter den gegeben Umständen seltsam anmutete. Vielleicht gar unerhört. Es war himmelhoch jauchzendes Glück. Mit einem Seufzer, in dem sich dieses Gefühl mit Begehren und Verzweiflung vereinte, fiel sie Daniel in die Arme. Ihre Lippen berührten sich. Kurze, feuchte, heiße Nähe. Ein Spiel ihrer Zungen. Sein exotischer Duft in ihrer Nase. Nelkenöl, Ylang Ylang. Männlichkeit. Sie wusste, dass die in diesen Augenblicken aufklaffende Sehnsucht nie wieder weichen würde.
„Komm“, wisperte sie atemlos an seinen Lippen. „Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen.“
Der von der Küstenwache zur Verfügung gestellte Jayhawk-Helikopter trug sie hinauf in einen makellos blauen Himmel. Das unter ihnen in der Sonne glitzernde Meer strahlte eine Reinheit aus, die Elena wie eine höhnische Illusion erschien. Töten und getötet werden. Es gab keinen Ort auf dieser Welt, der von diesem uralten Spiel verschont blieb. Es war natürlich. Unabänderlich. Doch die Welt, in der sie sich bewegte, hatte dieses Gesetz die perversesten Blüten treiben lassen.
Souverän ließ Daniel den Helikopter über die Klippen schweben, schwenkte nach rechts und nahm Kurs in Richtung Süden. Immer entlang der Küste, so weit, wie es der Tank der Maschine zuließ. Elena genoss den Flug, thronte auf einer Welle aus Schicksalsgefühl und Fatalismus. Die Weite des Atlantiks, das Spiel der Gischt, die sich an rauen Felsen brach … das Grün alter Kiefern, die sich an die Klippen schmiegten, umwölkt von Schwärmen in der Sonne leuchtender Seevögel. Unter ihr erstreckte sich eine wunderschöne Welt.
Irgendwann hielt Elena den Drang, Daniels Stimme zu hören, nicht mehr aus. Zwar war es nicht dasselbe, sich über Mikrofone und überdimensionale Ohrenschützer zu verständigen, doch sie musste ihn hören.
„Eure Ausbildung ist genauso vielseitig wie die der SWAT-Teams, oder?“
Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. Vermutlich ahnte er nicht im Geringsten, wie viel Kraft ihr diese Geste gab. Sie dachte an den Höhenflug der Ekstase, den er ihr bereits bei ihrer zweiten Begegnung geschenkt hatte, und versuchte, einen Hauch dieses Gefühls in die Gegenwart zu transferieren.
„SRT-Teams sind das militärische Äquivalent zu den SWAT-Teams der zivilen Polizeistationen.“ Die Stirn konzentriert in Falten gelegt, drückte er an Knöpfen herum und ließ den Helikopter tiefer fliegen. Klippen und Brandung rauschten nur so an ihnen vorbei. „Ansonsten ist alles gleich.“
Elena nickte anerkennend. „Nicht schlecht, der Job.“
„Wie man’s nimmt. Fünfzig Liegestütze beim Eignungstext. Achtzig Sit-Ups, zwanzig Klimmzüge und drei Meilen laufen in fünfundzwanzig Minuten. Haufenweise Trainingseinheiten und Fortbildungen. Man wird als Scharfschütze ausgebildet, als Geiselretter, Spezialist für Sondermunitionen, Fahrer für Panzerfahrzeuge, Operator für taktische Roboter, Sanitäter, Seelenklempner, Kugelfänger und … ach ja, als Helikopterpilot.“
„Ich sage ja. Nicht schlecht, der Job.“
Daniel wiegte den Kopf hin und her. „Er ist Stress pur. Okay, für mich nicht mehr. Ich halte mich aus dem regulären Dienst raus, absolviere nur noch Spezialeinsätze und trainiere mich größtenteils selbst. Es ist ein großer Vorteil, beim höchsten Tier des Departments einen Stein im Brett zu haben. Das einzige
Weitere Kostenlose Bücher