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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Mitleid? Jocelyn wußte es nicht. Es war eine der vielen Fragen, die der Durchschnittsbürger so einfach zu beantworten fand und die Jocelyn so kompliziert schienen. Bedrückt kam er heim und dachte darüber nach, daß vermutlich die gefährlichste aller menschlichen Schwächen nicht Haß oder Zorn oder Machtgier war, sondern die ganz gewöhnliche, alltägliche Dummheit ehrbarer Leute.
    May kam ihm im Hausflur entgegen. «Verzeih, daß ich mich vorhin so angestellt habe, Liebling. »
    «Aber ich bitte dich!» Er lächelte sie freundlich an.
    «Ich wollte, wir könnten ein Weilchen wegfahren», sagte sie. «Und sie alle mitnehmen - nur weg von hier.»
    Er sah sie nachdenklich an und ärgerte sich, daß er nicht selbst darauf gekommen war. Die arme May! Erst der Schock über den Tod des Bruders, dann die Belastung mit seinen Kindern und nun auch noch diese schreckliche Geschichte, die sie alle bedrohte. «Warum nicht?» fragte er. «Ein paar Tage an der See würden uns allen guttun. Und die Kinder wären begeistert.»
     
    Wie sich jedoch herausstellte, waren ein paar Tage an der See in dieser Jahreszeit nicht zu realisieren. Jocelyn machte sich mit einem Hotelführer und dem Telefon ans Werk. Doch seine bescheidene Anfrage, ob man einen älteren Herrn, ein Ehepaar, zwei Teenager verschiedenen Geschlechts und drei kleine Kinder unterbringen könne, wurde von den Hoteliers entweder mit Befremden aufgenommen oder mit glattem Hohngelächter beantwortet. May und Jocelyn sahen ein, daß sie mit einem einzigen Tag an der See zufrieden sein mußten. Aber selbst das würde eine Erholung sein.
     
    «Durch halb England fahren, nur um einen Blick aufs Meer zu werfen?» fragte Opa. «Ihr seid ja verrückt.»
    «Du kommst mit, Schwiegervater», sagte May.
    «Ich? Blödsinn. Ich hasse das Meer. Es ist kalt und grau und unfreundlich. Wer wird denn schon...»
    «Die Seeluft wird dir guttun.»
    «Seeluft hat noch keinem gutgetan. Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand. Sie greift die Lunge an.»
    «Hör mal, Schwiegervater», sagte May. «Willst du mich wirklich zwingen, dir vorher extra ein Mittagessen zu kochen, bevor wir fahren? Das ist mein Jahresurlaub. Schriftsteller können sich keine zwei Wochen in Saint-Tropez erlauben.»
    «Dann wird’s allerhöchste Zeit, daß er einen anständigen Beruf ergreift», brummte der Alte. Aber er gab nach. «Du kriegst mich immer rum. Weil du auf meine Gutmütigkeit spekulierst.»
    «Unsinn. Die besitzt du ja gar nicht», sagte sie übermütig.
     
    Gaylord nahm die Nachricht gleichgültig hin. Emma würde ja auch mitkommen, dieser Mühlstein um seinen Hals! Da konnte er ebensogut daheimbleiben und hier leiden, als hundert Meilen weit fahren, um dort das gleiche durchzumachen. Aber dann hatte er einen großartigen Einfall.
    Von sozialen und ökonomischen Unterschieden hatte Gaylord nur sehr vage Vorstellungen. Aber er wußte, daß Henry Bartletts Mutter Witwe war, und er bedauerte Henry manchmal, weil dieser aus unerfindlichen Gründen immer abseits zu stehen schien und traurig zuschaute, während Gaylord, ohne zu wissen, warum und wieso, immer dazugehörte. Es war höchst unwahrscheinlich, daß Henrys Mutter es sich erlauben konnte, mit ihm an die See zu fahren. Folglich wäre es doch wirklich nett, wenn er Henry auffordern würde, mit ihnen zu kommen. Er konnte es kaum abwarten, Henrys ernste Augen hinter den Brillengläsern aufleuchten zu sehen, wenn er von dieser Einladung hörte.
    «Könnten wir Henry nicht mitnehmen? » fragte er.
    Zuerst stutzte Mummi. Es war überhaupt nicht Gaylords Art, sich freiwillig mit Spielkameraden zu umgeben. Dann kam ihr die Erleuchtung. «Ach so, du kleiner Opportunist», sagte sie.
    «Was ist ein Opportunist?»
    «Jemand, der seinem Freund Emma aufhalst.»
    Gaylord war tief gekränkt. «Deshalb wollte ich Henry nicht dabei haben. Ich wollte Henry einladen, weil seine Mummi es sich nicht leisten kann, mit ihm ans Meer zu fahren.» Also so was! Er mußte ja zugeben, daß seine Beweggründe nicht immer schlicht und geradlinig waren, aber wenn sie es schon einmal waren, dann hätte er auch gern Anerkennung dafür gefunden.
    Mummi schaute ihn immer noch amüsiert an. «Natürlich kann er mitkommen, Liebling. Und es ist sehr lieb von dir, daß du daran gedacht hast, ihn einzuladen. Wenn er dir obendrein auch die lästige Emma noch etwas abnimmt, dann bist du ja fein raus.»
    Jetzt hätte ein Penny auf Gaylords Unterlippe Platz gefunden. «Daran habe ich

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