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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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überhaupt nicht gedacht», sagte er verdrossen. Doch trotz seiner Entrüstung mußte er zugeben, daß Mummi hier nicht so ganz unrecht hatte. Etwas ganz und gar Selbstloses zu tun, ohne sich einen persönlichen Vorteil zu erhoffen und dadurch nicht nur dem Freund eine Wohltat zu erweisen, sondern auch noch eine nicht zu verachtende Belohnung nachgeworfen zu kriegen - das schien Gaylord ein glänzendes Beispiel dafür, wie es im Leben zugehen sollte und tatsächlich nur so selten zuging. Seine Laune wurde zusehends heiterer.
    Er trabte voller Eifer los. Henry war im Garten. «Ich gieße meine Eiche», sagte Henry.
    Gaylord betrachtete die schwarze, schlammige Erde. Da war nichts zu sehen. «Ist sie noch nicht raus?» fragte er.
    «Nein», sagte Henry. Er nahm einen Stock und zog Furchen in den Boden, damit das Wasser abfließen konnte. Das schmutzige Wasser floß hinein, ein paar Zentimeter nur, dann blieb es stehen. Gaylord fand, es sei Zeit, vom Grund seines Besuches zu sprechen. Er mußte es natürlich taktvoll machen.
    «Fährst du dieses Jahr an die See?» begann er vorsichtig.
    Henry schaute ihn mit runden, ernsten Augen an. Dann buddelte er weiter. «Nein», sagte er.
    Gaylords Herz quoll über vor Mitleid. «Am Meer ist es nicht immer schön», sagte er. «Manchmal regnet es auch.»
    «Ja», sagte Henry.
    «Manchmal gibt es auch Sturmflut, und dann ertrinken die Leute», sagte Gaylord.
    Henry buddelte weiter. «Wir fahren am Mittwoch - für einen Tag nur», sagte Gaylord sanft.
    Henry buddelte immer noch.
    «Mummi sagt, du könntest mitkommen, wenn du Lust hast.»
    Henry hörte auf zu buddeln. Seine Augen, durch die runden Brillengläser noch größer als in Wirklichkeit, richteten sich starr auf das
    Gesicht seines Freundes. «Du...du meinst... ich soll mit?» stotterte er.
    «Ja.»
    Stille. «Ich kann nicht», sagte Henry. Er machte ein Gesicht, als würde er gleich heulen. Auch Gaylord hätte fast geheult. «Wir fahren morgen nach Österreich.»
    «Liegt das am Meer?»
    «Nein», sagte Henry. «Das ist ein Land, und da gibt’s kein Meer. Ringsum liegen bloß andere Länder.»
    Na, das schien ja ein armseliger Platz für die Sommerferien zu sein. Doch Gaylord war viel zu taktvoll, um es auszusprechen; wahrscheinlich war es das Äußerste, was Henrys Mutter sich leisten konnte. Ein Land ohne Meer und Küste - das mußte ja wohl so ziemlich das billigste sein, wo man hinfahren konnte, nicht wahr.
     
    «Na», fragte Mummi, «fährt er mit uns?»
    «Nein», sagte Gaylord traurig. «Er wäre gern mitgekommen. Aber er kann nicht. Seine Mummi nimmt ihn morgen mit nach Österreich.» Er lehnte sich an seine Mutter, schmiegte den Kopf an ihre Seite und schaute mit seinen dunklen, ernsten Augen zu ihr auf. Dann sagte er sehr vertraulich und mit ungeheurem Mitgefühl: «Ich glaube, das ist alles, was seine Mutter sich leisten kann.»
     

7
     
    May war eine hochintelligente Frau, aber ihre Bildung hatte Lücken, und sie wäre die letzte gewesen, das abzustreiten.
    Astronomie zum Beispiel. May konnte nie behalten, ob sich nun die Sonne um den Mond dreht oder umgekehrt, und was das Schlimmste war: sie konnte nicht einsehen, wieso das wichtig sein sollte. Die Sonne ging jeden Morgen auf und ging unter zur Schlafenszeit. Ihr Leben war säuberlich in Tage und Monate und Jahre aufgeteilt, und ob diese Einteilung von den Astronomen oder dem Allmächtigen stammte, das wußte sie nicht zu sagen. Was schert mich, wie das nun genau funktioniert, dachte Mummi. Irgend jemand hatte die Sache ausgetüftelt, alles lief wie ein Uhrwerk, und damit war der Fall für Mummi erledigt.
    Genaugenommen gab es nur einen Punkt im kosmischen Zeitplan, der sie wirklich irritierte, und das war eine vom Menschen ersonnene Tücke, die sogenannte «Englische Sommerzeit». Es empörte sie maßlos, daß man sie jeden April um eine Stunde Schlaf betrog, und keiner konnte sie davon überzeugen, daß sie ihr im Oktober zurückerstattet wurde. Sie hatte vielmehr das dunkle Gefühl, daß sie zwischen April und Oktober jede Nacht eine Stunde Schlaf einbüßte, obwohl es ihr nie gelungen war, sich selbst oder anderen dies mathematisch überzeugend nachzuweisen.
    Eine andere von Mummis Lücken war die Navigation. Wenn man nach Norden reiste, ging es ja noch. Aber wenn man nach Süden fuhr, mußte man - so wies sie mit zwingender Logik nach - die Karte umgekehrt halten, weil sonst die Seitenstraßen in falscher Richtung abzweigten; dann aber konnte man die

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