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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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unser Gaylord irgendwo da draußen... Oh...» Wieder stürzte sie aus dem Zimmer und rannte über den Flur. Als sie zurückkam, war sie leichenblaß. «David ist auch nicht da», sagte sie tonlos.
    Plötzlich wurde Jocelyn übel. Die ganze Zeit hatte er Mays Gerede um David und den Vollmond als Hirngespinst abgetan. Doch wenn sie recht haben sollte - und leider hatte sie meistens recht -, dann war Gaylord in der Tat in Lebensgefahr. Er sah seinen Jungen vor sich, wie er ihn meistens vor Augen hatte: auf dem Rücken im sonnigen Gras liegend, einen Apfel kauend und seinen Vater in einem der seltenen Momente der Anerkennung und des Einverständnisses verschmitzt angrinsend. «Mein Gott!» sagte er langsam. «Wenn etwas passiert ist...»
    May sagte: «Eben drum. Los. Komm! Die anderen müssen sich um Amanda kümmern, wenn sie wach werden sollte. Wir können niemand mehr Bescheid sagen. Ich denke, wir versuchen es zuerst am Fluß unten.»
    Nach dem sanften gelben Licht der Nachttischlampen war es, als träten sie hinaus in eine Welt aus Eis. Das klare, unerbittliche Licht des Mondes empfing sie kalt. Sie rannten hinunter zum Fluß. «Gaylord!» riefen sie. «Gaylord!» Sie lauschten. Nur das Echo ihrer eigenen Stimmen drang an ihr Ohr, sonst hörten sie keinen Laut unter dem Mond.
    Das Wasser floß dahin, und der Mond lag auf seiner Oberfläche wie ein zerbrochener Teller. «Warum antwortet er nicht?» sagte May. «Wir müssen doch meilenweit zu hören sein. Er muß uns hören können. Wenn er nicht... O Gott», sagte sie.
    Jocelyn sagte: «Man ist so hilflos. Nur Büsche und Hecken, Felder. Meilen um Meilen. Und er kann überall stecken.»
    «Wir hätten doch die Polizei anrufen sollen», sagte May. «So allein können wir nichts ausrichten. Ich lauf zurück zum Telefon. Ruf du weiter nach ihm.»
    «Gut», sagte er. «Das ist wohl das Beste. Großer Gott, was ist denn mit...»
    «Mit was?» fragte sie rasch.
    «Die Alte Halle. Da war er doch neulich auch.»
    «Mein Gott, was bin ich doch für eine Närrin», sagte sie. «Natürlich! Aber ich rufe trotzdem erst die Polizei an und sage Bescheid, wo wir hingehen. Wir waren verrückt, daß wir es nicht gleich getan haben.»
     
    Der Bär hatte ein Menschengesicht. Und Menschenhände. Finger, die Gaylords weichen Hals erbarmungslos packten, nach seiner zarten Kehle suchten, sie fanden, wieder abglitten, sie erneut fanden und zudrückten, genau dort, wo - das fühlte Gaylord mit schauriger Gewißheit - das Leben seinen Sitz hatte. Gaylord wehrte sich so vergeblich wie ein Vögelchen in den Krallen einer Katze. Doch plötzlich konzentrierte sich dieser Kampf nicht mehr auf seinen Hals allein. Gaylord wurde hin und her geschleudert. Ein schwerer Körper warf sich über ihn und preßte ihn auf den Boden. Doch im nächsten Augenblick war er fast frei. Er hörte ein Stöhnen, Ächzen, Schreie und dann immer mehr Schreie. Der Mond tanzte in einem irren Wirbel am Himmel, und dann zerbarst er zu einer so grellen, blendenden Helligkeit, daß Gaylord laut aufschrie. Aber es war gar nicht der Mond, es waren die Scheinwerfer eines Wagens, und der Wagen kam direkt auf sie zu und würde sie gleich überfahren, was auch nicht besser war, als erwürgt zu werden...
    Der Wagen hatte wohl doch noch rechtzeitig angehalten, denn Gaylord war nicht überfahren worden, sondern lag irgendwo, wo es weich und angenehm wohlig war. Es roch genau wie Mummi, ja es war Mummi, sie wiegte ihn so liebevoll in den Armen wie sonst Amanda, und sie weinte. Na, dann war ja alles klar. Er war also tot. Darüber wurde er so traurig, daß er zu weinen begann. Der arme alte Gaylord, dahingerafft in der Blüte seiner Jugend!
    «Alles ist wieder gut, Liebling», flüsterte Mummi und hielt ihn an sich gepreßt. «Jetzt passiert dir nichts mehr.»
    Er schaute ihr ins Gesicht. «Du meinst, ich bin nicht tot?» fragte er hoffnungsvoll.
    Sie schauderte und drückte ihn fester an sich. «Natürlich nicht, mein Liebling», sagte sie, beugte sich herab und küßte ihn.
    Gaylord war erleichtert. Nicht nur, weil er nicht tot war, sondern weil er ganz sicher war, daß Mummi und er nun nicht mehr verschiedener Meinung waren. Sie hatte ihn eben zweimal hintereinander Liebling genannt, ein untrügliches Zeichen, daß sie alles vergessen und vergeben hatte.
    Er schaute sich um. Die Szene hatte sich vollkommen gewandelt, wie in einem Traum. Vor wenigen Augenblicken, so schien es, war hier ein leerer Weg gewesen, der Bär, und in den

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