Wenn Tote schwarze Füße tragen
aufgewacht, als Madame Lambert
mich anrief.“
„Ah, ja...“
„Inzwischen hatte der Kerl mich
gefilzt. Er hat mir die Banknote geklaut!“
„Nicht möglich!“
Sein Ton läßt deutlich erkennen, was
er von der Sache hält: Er hat den Verdacht, daß ich ihn auf den Arm nehme. Die
leichte Ironie in seiner Stimme ist nicht zu überhören.
„Warum ‚nicht möglich’?“ frage ich.
„Darum, Herrgott nochmal!“ brüllt er.
„Also, was wollen Sie mir da erzählen? Daß man Ihnen die eine Banknote
gestohlen hat oder daß man sie Ihnen zusammen mit anderen Scheinen weggenommen
hat?“
„Nur die eine Banknote. Sie werden Ihr
Gedächtnis anstrengen müssen, mein Lieber! Auf der Banknote ist mehr drauf, als
wir gesehen haben.“
Dorville schweigt am anderen Ende. Das
Ganze übersteigt seine Vorstellungskraft. Ich fahre fort:
„Was die Blondine angeht... Ich
begreife ja schnell, aber trotzdem brauche ich Zeit, vor allem, wenn ich kurz
zuvor niedergeschlagen worden bin... Also, das blonde Kind hat mir auf der
Straße nach Prades schöne Augen gemacht. Offensichtlich war sie mir gefolgt, um
herauszukriegen, wohin ich fuhr. Doch dann mußte sie mich überholen und
erwartete mich ein Stück weiter, sozusagen mit gezücktem Schenkel, den sie
meinen bewundernden Blicken aussetzte. Es war mir ein Vergnügen, der Kleinen
mitzuteilen, daß ich meinen alten Onkel begrüßen wollte... was auch tatsächlich
stimmte. Ein harmloser Verwandtenbesuch! Wir haben unsere kleine Unterhaltung
nicht fortgesetzt, werden es aber bestimmt bei Gelegenheit noch tun. Jetzt, da
wir uns kennen... Das dürfte ihr die Arbeit eigentlich erleichtern...“
„Herrgott nochmal!“ brüllt Dorville
wieder. „Könnte es sein, daß Sie von Berufs wegen alles in einen Topf werfen?“
„Ja, aber nur, wenn alles so hübsch zusammenpaßt!
Warum und wie, das ist eine andere Frage.“
„Also, wirklich... Das ist... Mir
fehlen dafür einfach die Worte!“
Ich stelle bei ihm dasselbe Phänomen
fest wie bei Laura Lambert. Die Telefonleitung läßt den pied-noir-Akzent deutlicher hervortreten. Der Vergleich erinnert mich an den Anruf, den Laura
erhalten hat. Ich frage Dorville, ob der mysteriöse Anrufer sich auch bei ihm
gemeldet habe.
„Der mysteriöse Anrufer?“ Er legt die
Betonung auf mysteriös. „Nein, ich verstehe nicht...“
„Er hat Laura angerufen und ihr blöde
Fragen gestellt. So ungefähr wie ich.“
„Ach! Er hat Laura angerufen und ihr
blöde Fragen gestellt? Zum Beispiel?“
„Typ öffentliche Meinungsumfrage.“
„Ah, warten Sie! Ja, tatsächlich...
Ich hatte es heute auch mit so einem Idioten zu tun. Hab’s völlig vergessen,
wissen Sie... Wir haben ein paar Worte gewechselt, und dann hab ich den
Schwachsinn beendet. Danach hat er sich nicht wieder gemeldet.“
„Weil er das erfahren hat, was er
erfahren wollte. Wie bei Laura.“
„Dann war es ein ganz Schlauer! Ich
habe ihm lediglich zu verstehen gegeben, daß mich sein dummes Gequatsche nicht
interessierte.“
„Laura hat seinen komischen Akzent
erwähnt. Ein Pariser Akzent, der wie von hier klingen sollte.“
„Ja, vielleicht. Aber dieser oder
jener Akzent, ist das denn so wichtig?“
„Kann möglicherweise wichtig werden.
Der Anrufer wollte sich jedenfalls von Ihrem überzeugen.“
„Von meinem? Meinem was?“
„Akzent. Er wollte wissen, ob Sie und
Laura einen pied-noir-Akzent haben oder nicht. Ich sehe das so: Der
Kerl, der Sie angerufen hat, ist mit dem identisch, den ich in meinem
Hotelzimmer überrascht habe. Außer meinem Kofferinhalt hat er sich nämlich mein
Adreßbuch angesehen, das ich auf meinem Nachttisch liegengelassen habe, nachdem
ich Sie angerufen hatte. Die Telefonnummern, die in dem Büchlein stehen,
reichen von Alésia bis Wagram. Die einzigen mit der Vorwahl von
Montpellier sind Lauras und Ihre Nummer. Beide habe ich nur mit den Initialen
Ihrer Namen versehen. Der Kerl ist allem Anschein nach bestens informiert, sonst
hätte er weder gewußt, daß ich hier in der Stadt eingetroffen, noch daß ich im Littoral abgestiegen bin. Er wollte wissen, mit wem ich in Montpellier Kontakt habe...
Es sei denn, er hat Ihnen ganz konkrete Fragen gestellt...?“
„Nein.“
„Dann hat ihm Ihre Stimme genügt, um
Sie einzuordnen.“
„Aber ob Laura und ich einen
bestimmten Akzent haben, kann ihm das nicht schnurzegal sein?“
„Ich werde ihn fragen, sobald sich die
Gelegenheit dazu ergibt. Verlassen Sie sich nur auf mich.“
Wir wechseln
Weitere Kostenlose Bücher