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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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nehme ich
den Hörer von meinem Ohr. Meinem Kopf bekommt der harte Akzent gar nicht gut.
Eine komische Sache, diese komischen Akzente! Durchs Telefon werden sie
deutlicher, stärker. Aber auch solche Überlegungen bekommen meinem Kopf nicht.
    Ich gehe wieder ins Badezimmer, ziehe
mich aus und dusche. Danach nehme ich ein sauberes Hemd und einen neuen Anzug
aus meinem Koffer. Dabei fällt mir auf, daß der Schläger von heute nacht meine
Sachen durchwühlt hat. Das überrascht mich nicht. Auf den ersten Blick scheint
nichts zu fehlen, zum Glück auch nicht mein 38er Webley. Wenn das nämlich so
weitergeht, werde ich ihn gut gebrauchen können. Ich lege das Halfter an. Der
Revolver soll es unter meiner Achselhöhle schön warm haben!
    Da meine Kopfschmerzen nachlassen,
denke ich endlich daran, den Inhalt meiner Taschen zu untersuchen. Die Liste
mit Agnès’ Bekannten, die Fotos des Mädchens, der Umschlag, in dem der
„subversive“ Geldschein geschickt wurde, kurz, alles, was ich von Dacosta
mitgebracht habe, ist vorhanden. Nur dieser Geldschein ist verschwunden. Ich
habe also recht gehabt mit meiner Vermutung, daß er mir irgendeinen Hinweis
liefern würde.
    Ich hebe meinen Hut vom Boden auf, wo
er seit dem nächtlichen Überfall gelegen hat. Dann stecke ich mein Adreßbuch
ein, das ich, wie vermutet, neben dem Telefon liegengelassen hatte. Was hätte
mein Besucher daraus entnehmen können... falls er überhaupt einen Blick in das
Büchlein geworfen hat?
    Beim Hinausgehen habe ich so etwas wie
eine Erleuchtung. Aha, mein geplagter Kopf ist also doch noch zu etwas nütze!
Man muß ihm nur Zeit lassen... Ich glaube zu ahnen, warum ein mysteriöser
Anrufer Laura Lambert — und vielleicht auch Jean Dorville — blöde Fragen
gestellt hat. Ich nehme den Hörer ab und lasse mich mit der Rothaarigen
verbinden, doch es nimmt niemand ab. Laura ist anscheinend bereits „auf Achse“,
wie Dorville gesagt hat. Bei ihm versuche ich’s als nächstes. Niemand zu Hause.
Na schön, dann eben nicht. Ein Glück, denn meine Kopfschmerzen werden wieder
stärker. Besser, ich überanstrenge meinen Schädel nicht.
    Beim Verlassen des Zimmers untersuche
ich das Türschloß. Es ist nicht aufgebrochen worden. Der Kerl muß wohl einen
Passepartout besitzen.
    Der Hotelangestellte, der an der
Rezeption meinen Schlüssel entgegennimmt, ist nicht Bruyèras. Auch Gérard, der
Page, ist nirgendwo zu sehen. Ich schnappe mir das örtliche Telefonbuch und
suche die Nummer meines Onkels heraus, um ihm meinen Besuch anzukündigen. Ich
müsse mir nur noch schnell einen Wagen mieten, sage ich ihm. Die Überraschung
ist gelungen! Der alte Mann kann sich gar nicht mehr einkriegen. So lange Jahre
hätten wir uns nicht gesehen, und jetzt... wie eine Bombe... Urlaub? Ja. Gut,
dann bis gleich. Ich schreibe mir aus dem Telefonbuch drei Adressen von
Leihwagenfirmen heraus und verlasse das Hotel.
    Draußen herrscht eine Affenhitze wie
im August. In einem Tabak-Zeitungsladen mit dem Schild Khédive (unverändert seit der Zeit, als ich in kurzen Hosen herumlief) kaufe ich mir
außer einer Sonnenbrille einen Stadtplan und eine Karte der Umgebung, die ich
an der Theke eines Cafés gleich nebenan studiere, während ich einen leichten
Imbiß mit Aspirin zu mir nehme. Dann begebe ich mich zu Garage-Max und
leihe mir eine Dauphine, die der von Dorville ziemlich ähnlich sieht, vor
allem, was die Farbe betrifft. Nachdem die Formalitäten erledigt sind, setze
ich mich hinters Steuer und fahre aufs Land.
    Ich lasse die Stadt hinter mir. Als
ich mich auf der Höhe von Dacostas Anwesen befinde, trägt mir der Wind das
Kreischen einer hart arbeitenden elektrischen Säge zu.
    Wegen meiner außergewöhnlichen
Tiefstform und des regen Straßenverkehrs fahre ich gemächlich die Platanenallee
entlang. Die geruhsame Bummelei erlaubt es mir, einen Blick auf die Landschaft
zu werfen. Auf der anderen Straßenseite sehe ich plötzlich auf einer von
dürftiger Vegetation halb zugewachsenen Anhöhe etwas in der Sonne blitzen. Wäre
ich schneller gefahren, hätte ich es gar nicht bemerkt. Dieses blitzende Etwas
ist nicht allein. Trotz meines benebelten Hirns identifiziere ich es sofort.
Schlagartig kehrt all meine Energie in meinen Körper zurück. Unter
Nichtbeachtung der Straßenverkehrsordnung vollführe ich eine waghalsige
Kehrtwendung und... kehre um. Bei meinem zirkusreifen Manöver hätte ich um ein
Haar ein olivgrünes Kabriolett auffahren lassen. Die Fahrerin, deren

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