Wenn Tote schwarze Füße tragen
wohl zu einem kleinen
Gläschen nicht nein sagen, oder?“
Die schöne Mireille ist tatsächlich
der fleischgewordene Schwamm! Ich nehme ihr Angebot höflich an, und wir gehen
in die erste Etage hinauf. Ich helfe ihr, so gut ich kann, die einzelnen Stufen
nicht zu verfehlen.
In dem behaglichen Wohnzimmer mit
eingerichteter Hausbar bietet sie mir einen Sessel an und geht hinaus, um mit
einem unsichtbaren Dienstmädchen ein paar Worte zu wechseln. Kurz darauf kommt
sie zurück und beginnt, uns einen Cocktail zu mixen. Ich beobachte sie bei
ihrer Tätigkeit. Noch immer kann ich es kaum fassen, wie jung diese Frau wirkt,
deren Alter ich nicht zu schätzen wage und die immer noch begehrenswert
erscheint. Wenn sie sich seit der Art deco- Exposition auf diese Weise
vollaufen läßt, dann ist das der Beweis: Alkohol konserviert!
Madame Ducros verteilt die Gläser, in
denen Eiswürfel klirren, und setzt sich mir gegenüber, die fein bestrumpften
Beine gewagt übereinandergeschlagen. Wir beginnen eine ungezwungene
Unterhaltung über dieses und jenes. Sprechen macht durstig, vor allem bei
diesen Temperaturen, und so ruht die Arbeit an der Hausbar nicht lange.
„Als wir über Sie gesprochen haben“,
sagt die schöne Mireille, „konnte ich mir hinter dem Privatdetektiv kaum den
kleinen Kerl vorstellen, der auf unserem alten Pachthof rumgelaufen ist. Ich
meine...“
Sie hält inne, beugt sich vor, um eine
Schachtel Zigaretten von einem kleinen Tischchen zu nehmen, und dabei erhasche
ich einen Blick auf etwas mehr als den Ansatz ihrer Brüste. Sie nimmt sich eine Gitane und wartet darauf, daß ich ihr Feuer gebe. Was ich auch tue.
„Ich meine, als ich den Artikel im Echo las, habe ich überhaupt nicht an Sie gedacht“, fährt sie fort, nachdem sie den
Rauch ausgestoßen hat. „Erst als Ihre Tante... Entschuldigen Sie, aber ich
hatte Ihren Namen vergessen...“
„Das ist doch ganz normal“, sage ich.
„Sie kannten vor allem meinen Großvater und meinen Onkel, das heißt den Vater
und den Bruder meiner verstorbenen Mutter. Und wir haben nicht denselben
Namen.“
„Genau! Und Ihr Vorname hat mir auch
nichts gesagt... Damals nannte ich Sie ‚Nes’, glaube ich. Und jetzt nenne ich
Sie ‚Monsieur Burma’. Noch ein Gläschen, Monsieur Burma?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, steht
sie auf, was wohlduftende Wellen schlägt, und geht leicht schwankend und
hüftenschwingend zur Hausbar, um uns noch einen Cocktail zu mixen. Als sie zu
mir zurückkommt, bemerkt sie kichernd:
„Monsieur Burma! Wie förmlich das klingt!
Früher haben wir uns geduzt...“
„Warum kehren wir nicht dahin zurück?“
schlage ich vor.
„Oh, hören Sie...“
Sie errötet — jedenfalls beinahe — und
streicht mit einem ihrer dünnen Finger über meine Wange. Ein freundschaftlicher
Backenstreich, der einem zärtlichen Streicheln verdammt nahekommt.
„...Sie kleiner Schlingel!“
Ich sehe ihr tief in die
verschleierten Augen, mit denen sie mich verzückt anblickt.
Sie nimmt wieder in ihrem Sessel
Platz, drückt ihre Gitane aus und fingert sich eine neue aus der
Schachtel. Ich stehe auf und gebe ihr Feuer, wobei ich meinen Blick in ihr
Dekolleté, das immer offenherziger wird, versenke. Mit einem leisen Seufzer
ergreift sie meine Hand und legt sie auf ihren Oberschenkel. Durch den Kleiderstoff
hindurch spüre ich die Metallklammern ihres Strumpfhalters und die Wärme ihrer
Haut.
Diese zähen alten Kratzbürsten spucken
Feuer, bis sie ins Grab sinken. Mit Mireille zu schlafen, dürfte nicht
schwieriger sein, als sich im Khédive eine Briefmarke zu kaufen. Ich
habe das Gefühl, daß meine Pubertätsträume Wirklichkeit werden könnten. Es
hängt nur von mir ab. Innerlich muß ich lachen.
In diesem Augenblick schlägt irgendwo
im Haus eine Tür, dann öffnet sich die zum Wohnzimmer, und es kommt jemand
herein.
Der Mann ist rund zwanzig Jahre älter
als ich. Er hat ein grobschlächtiges Durchschnittsgesicht ohne besondere
Kennzeichen: Durchschnittsstirn, Durchschnittsnase, Durchschnittskinn. Das
ideale Gesicht für ein Durchschnittspaßbild. Sonnengebräunt wie alle hier in
der Gegend, ziemlich groß, ein wenig gebeugt, mit vorschriftsmäßigem
Haarschnitt, allerdings mit beginnender Glatze; Schnurrbart (ebenfalls
durchschnittlich), wahrscheinlich gefärbt. Schließlich eine Goldrandbrille, auf
der Sonnengläser aufgesteckt sind. Er nimmt die Sonnenschutzvorrichtung ab und
schiebt sie in die Brusttasche seines Glenscheckanzugs.
Bei dem
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