Wenn Tote schwarze Füße tragen
alleine laufen.
O.k.!
Von der Telefonkabine des Bistros rufe
ich im Littoral an. Gérard teilt mir mit, daß „alles klar“ sei mit
Fernand. Er erwarte mich im Princess.
Ich muß nur ein paar Schritte durch
die schlecht beleuchtete und ebenso schlecht riechende Straße gehen, um zum Princess zu gelangen. Das bescheidene, sehr unauffällige Hotel ist innen etwas weniger
schmutzig, als es von außen aussieht. Zu dieser nächtlichen Stunde übt Fernand
die kombinierten Funktionen eines Pagen-Portiers-Concierges aus. Der junge Mann
mit dem gelungenen Affengesicht ist alleine. Ich gebe mich zu erkennen und
versichere mich erst einmal seiner Mithilfe, indem ich ihm einen Tausender
zustecke. Als Gegenleistung bitte ich ihn, mir etwas über Sigari zu erzählen.
Mit viel Geduld — Fernand ist nicht nur ein Freund Gérards, sondern auch ein
Freund langatmiger Abschweifungen — und durch eine zusätzliche Geldspritze
erhalte ich folgende Informationen:
Pascal Sigari aus Marseille, laut
Eintragung im Gästebuch des Princess... (falls er einen Anmeldezettel
ausfüllte, was nicht immer der Fall gewesen ist. Als mehr oder weniger guter
Bekannter des Hotelwirtes vergaß er manchmal, diese Formalität zu erledigen,
und dann füllte der Wirt den Zettel für ihn aus. Manchmal allerdings vergaß es
der Hotelier ebenfalls.) Laut Gästeliste also war er Handelsvertreter von Beruf
und stieg schon seit längerer Zeit in diesem ruhigen Hotel ab. Seit ungefähr
einem Jahr kam er fast alle drei Monate einmal für ein oder zwei Tage, in jeder
Hand einen kleinen Koffer. Sein letzter „normaler“ Besuch fand am 18. April
statt. Schon am 2. Mai — entgegen dem üblichen Rhythmus — tauchte er wieder in
dem Hotel auf. Man hatte nicht vor August mit ihm gerechnet. Und die beiden
kleinen Koffer hatte er wieder bei sich. Am selben Abend noch ging er weg,
unter dem Arm ein Paket. Rückkehr wenige Stunden später, immer noch mit dem
Paket. Dienstagabend dann erneuter, diesmal späterer Ausgang. Ohne Paket
allerdings, und ohne Rückkehr. Der Mittwoch verstrich. Kein Sigari. Fernand,
der sich einbildet, schnell und gut zu kapieren, schließt daraus, daß er
abgehauen ist, ohne zu bezahlen. Da der Page zufällig einen Blick in das Gepäck
des Gastes geworfen hatte und auf den Geschmack gekommen war, riß er sich den
Koffer mit den „Büchern“ unter den Nagel...
Bei der Gelegenheit fügt er hinzu, daß
er mir leider kein Buch verkaufen könne, falls ich daran gedacht hätte. Er habe
den ganzen Kram weggeschmissen. Wahrscheinlich, nachdem er sich die Bilder gut
eingeprägt hatte...
Auf „Nachfrage“ (Polizei) argon)
erzählt er mir von dem zweiten Koffer. Er enthielt einen Alpaka-Anzug und einen
Stapel Oberhemden: Sigari, ein Weltmeister im Schwitzen, habe sie häufig
gewechselt.
„Und was hat der Chef zu dem
plötzlichen Aufbruch seines Bekannten gesagt?“
„Nichts. Na ja, zufrieden sah er auch
nicht grade aus. Der Verlust hielt sich in Grenzen, aber trotzdem
Dummes Zeug! Der Wirt des Princess (was für ein Name für so eine Bruchbude!), weniger naiv als sein Angestellter,
hat sofort begriffen, daß es sich hier nicht um Zechprellerei handelte, sondern
daß dem Mann aus Marseille etwas zugestoßen sein mußte. Und wenn er von einer
Anzeige abgesehen hat, dann aus zwei Gründen: Erstens ist so etwas nicht seine
Art, und zweitens hatte er den Verschwundenen nicht angemeldet. Besser also,
sich tot zu stellen. Ja, genau das! Ich bin davon überzeugt, daß der
Handelsvertreter und Weltmeister im Schwitzen aufgehört hat zu schwitzen. Und
er hat sich am gleichen Tag wie Agnès in Luft aufgelöst!
Während ich noch meinen Gedanken
nachhänge, redet Fernand weiter:
„Letzten Sonntag sind die Freunde von
Sigari gekommen, ein Mann und eine Frau mit Pariser Akzent. Also, das war
vielleicht ‘n Weib! So was sieht man sonst nur im Kino. Beine hatte die...! Und
Möpse...!“
„Krieg dich wieder ein, Kleiner! Sag
mal, diese Frau...“
Ich gebe ihm eine Beschreibung von
Madame Mortaut, meiner blonden Freundin von der Straße nach Prades. Fernand
erkennt sie darin wieder. Ich bitte ihn um eine Beschreibung des Mannes, aber
für solcherart Denksport taugt Gérards Freund nicht. Egal. Es kann sich nur um
den Kerl handeln, der mein Zimmer im Littoral durchwühlt hat.
Fernand fügt noch hinzu, daß die
beiden die offene Rechnung beglichen hätten und er das Gefühl gehabt habe, daß
sie sich für den Bücherkoffer interessierten. Deswegen habe
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