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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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„Obwohl
auch Dummheit ihre Grenzen hat.“
    „Sie gehen etwas zu weit“, protestiert
der Angeber mit den Bürstenhaaren, ohne daß ich so recht weiß, wen er damit
meint.
    „Du, halt die Schnauze!“ fährt ihn der
Alte an. „Und du, Serge, geh schlafen.“
    „Ja, M’sieur“, sagt Estarache
kleinlaut.
    Er verdrückt sich. Als er an mir
vorbeigeht, senkt er den Blick. Der Moslem stellt einen Hocker mitten ins
Zimmer und fordert mich lächelnd mit einer Handbewegung zum Sitzen auf. Ich
setze mich. Übrigens setzen sich jetzt alle, wobei sie sich gegenseitig leise
beschimpfen. Und alle fangen an zu rauchen, der Moslem und ich eingeschlossen.
Der Alte hat mir erlaubt, meine Stierkopfpfeife in Betrieb zu nehmen. Die Luft
füllt sich mit bläulichem Dunst.
    Nach einer Weile klingelt es
eigenwillig: ti-ti-ti—ta-ta. Wie bei den Topfkonzerten in meiner Kindheit.
    „Der Hauptmann“, sagt der Alte.
    Er steht auf, geht die Eisentreppe
hinauf und verschwindet draußen vor der Tür. Als er zurückkommt, wird er von
zwei Männern begleitet, die offenbar soeben aus dem Bett gestiegen sind. Der
eine ist ein gemütlicher Dicker, der andere ein dürrer Großer mit asketischem,
ärgerlich dreinblickendem Gesicht. Seine Augen sind hinter schwarzen
Brillengläsern verborgen, und er tastet sich mit einem weißen Stock vorwärts.
    „Was ist los?“ fragt der hagere
Blinde, nachdem man ihn in einen wackligen Sessel gesetzt hat.
    „Hauptmann“, beginnt der Alte, „der
Mann hier ist Nestor Burma, Privatdetektiv aus Paris. Dacostas Tochter Agnès
ist verschwunden, und er sucht nach ihr. Heute hat er den jungen Estarache
befragt. Dabei hat er auf den Verrat von Algier angespielt. Hauptmann, Sie
kennen ja die jungen Leute. Wegen nichts drehen sie durch. Und Serge hat
sowieso ständig Fieber. Er hat angefangen zu kombinieren: Privatdetektiv...
hm... Dacosta, der... hm... Der Verrat von Algier... Schlußfolgerung: Burma ist
Dacostas Freund, ein barbouze , der bei uns herumspioniert. Nach wem?
Wonach? Wozu? Ach, die Fragen hat er sich gar nicht mal gestellt! In höchster
Erregung teilt er seine Überlegungen dem anderen Zappelphilipp mit. Der ist
zwar etwas älter, aber deshalb nicht intelligenter. Die beiden hetzen sich
gegenseitig auf, und als Clou holen sie ihre Kanonen raus und kidnappen diesen
Mann hier. Unglücklicherweise wohnt er im Littoral , wo Eug... äh... wo
der Dingsda sich auskennt, weil er da mal als Tellerwäscher gearbeitet hat.
Wenn Monsieur Burma in einem anderen Hotel wohnen würde, hätten sie’s
wahrscheinlich nicht gewagt. So sieht es aus, Hauptmann! Jetzt bleibt uns nur
zu hoffen, daß Monsieur Burma nicht nachtragend ist. Wenn er Anzeige erstattet,
fällt das auf alle unsere Landsleute zurück. Und das nur wegen dieser beiden
Grünschnäbel! Man könnte meinen, sie hätten’s nicht schon schwer genug gehabt!“
    Er begleitet seinen letzten Satz mit
einem Faustschlag auf die Werkbank neben ihm und blickt in die Runde der
Anwesenden. Der Moslem nickt zustimmend. Die anderen blicken böse drein.
    Der Blinde hat den Ausführungen des
alten pied-noir mit unbeweglichem Gesicht zugehört. Jetzt stampft er mit
seinem weißen Stock auf den Lehmboden, so als würde ihm das beim Denken helfen.
Nach einer Weile fragt er:
    „Der Detektiv heißt Nestor Burma? Der
Name sagt mir «
    was.
    „Er ist hier geboren“, erklärt der
Alte. „Heute steht ein Artikel über ihn im Echo. Hat ihn André Ihnen
vielleicht vorgelesen?“
    „Nein. Den Namen habe ich bei einer
anderen Gelegenheit gehört...“
    „Vielleicht im Zusammenhang mit einem
gewissen Raubüberfall“, werfe ich ein.
    Der Blinde wendet seinen Kopf in die
Richtung, aus der meine Stimme kommt.
    „Einem gewissen Raubüberfall?“ fragt
er.
    „Begangen von ganz gewöhnlichen
Verbrechern, die das allgemeine Durcheinander ausnutzen wollten. Ich habe den
Fall aufgeklärt und damit der Organisation einen Dienst erwiesen.“
    „Stimmt, verdammt nochmal!“ ruft der
Blinde, und sein Gesicht hellt sich auf. „Ich habe davon gehört. Ich erinnere
mich auch daran, daß eine unserer Landsmänninnen Kontakt mit Ihnen aufgenommen
hat. Wenn Sie mir noch ihren Namen nennen könnten...“
    „Laura Lambert.“
    „Richtig! Nun, Monsieur, ich glaube,
wir müssen uns bei Ihnen für den Zwischenfall heute nacht entschuldigen.“
    Er streckt mir seine Hand aus seiner
persönlichen, immerwährenden Nacht entgegen. Ich stehe auf und ergreife sie.
Der andere Alte schlägt wieder

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