Wenn Tote schwarze Füße tragen
leicht, und ich glaube, er rieb sich ständig die
Hände. War das nun ein Tick von ihm oder nur Nervosität, oder war es der
Ausdruck seiner Zufriedenheit?“
„Zerbrechen Sie sich darüber mal nicht
den Kopf“, sage ich. „Außer seiner Größe, die er nicht verändern kann, hatte
der Mann schiefe Schultern und eine normale Haltung. Alles Tarnung!“
„Na ja“, seufzt Chambord entmutigt,
„jedenfalls haben sie ein halbes Dutzend Leute ausfindig gemacht, auf die meine
Beschreibung paßte. Sie wurden uns vorgeführt. Völlig idiotisch, wie gesagt!
Während wir uns mit ihnen unterhielten, haben sie die Betreffenden beobachtet,
um eine Spur von Nervosität oder Unsicherheit zu entdecken, und darauf
gewartet, daß der ,Verräter’ sich... äh... verraten würde. Es führte zu nichts.
Konnte es auch gar nicht! Solange mir der Kerl nicht unter ähnlichen
Bedingungen wie in der Villa Djemila gegenübersteht...“
Mit einem bitteren Lachen fügt er
hinzu:
„Sollte die Operation, der ich mich
jetzt bald unterziehen werde, erfolgreich verlaufen, werden wir eine Szene im
Stile eines amerikanischen line-up arrangieren...“
„Was auch zu nichts führen wird“,
ergänze ich. „Brigitte Bardot kann man zur Not auch von hinten erkennen, aber
einen durchschnittlichen Normalbürger! Ich glaube, ich verfüge immer noch über
die besseren Möglichkeiten, um den Fall aufzuklären. Ich hoffe nur, daß es mir
gelingt, bevor Sie unters Messer kommen.“
„Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel
Glück! Und falls sich etwas Neues ergeben sollte... Wenn Sie es mich dann
wissen lassen könnten...? André gibt Ihnen meine Adresse...“
Der Adjutant-Blindenhund gibt mir die
Adresse, und dann ist die Sitzung aufgehoben. Wir verlassen die stinkende
Werkstatt und treten hinaus in die Nacht, um den verwirrenden Jasminduft
einzuatmen, der diese ländliche Gegend erfüllt. Wetterleuchten erhellt den
Horizont. Chambord (besser gesagt, sein Chauffeur) setzt mich vor dem Littoral ab. In meinem Zimmer wartet niemand auf mich in der Absicht, mich
niederzuschlagen. Immerhin, ein Fortschritt! Schweißgebadet haue ich mich in
die Falle. Eine merkwürdige Art habe ich, meine Nächte zu gestalten, seit ich
in meine Geburtsstadt gekommen bin! Das ist alles, was mir zu dem Intermezzo
einfällt. Diese jungen Extremisten mit ihren Legenden und Träumen und schlecht
verdauten Filmen!
Trotzdem, einiges habe ich heute nacht
erfahren, was mir später nützen wird. In diesem Augenblick weiß ich das
allerdings noch nicht.
Bühne frei für die Barbouzes !
Freitag, der 13. Mai. Heiliger
Servatius. Freitag, der 13.: Versuch dein Glück! 13. Mai: Alle aufs Forum!
Servatius, der Eisheilige...
Das sind die frommen Gedanken, die mir
beim Aufwachen in den Kopf kommen. Es ist zehn Uhr, und die Sonne belästigt die
Stadt. Auch ich werde belästigt: Man klopft an meine Tür. Ich stehe auf und
sehe nach. Vor der Tür stehen ein Mann und eine Frau: Hélène Chatelain, meine
Sekretärin, und Roger Zavatter, mein elegantester Mitarbeiter. Obwohl sie eine
Nacht im Zug verbracht haben, sehen sie aus wie das blühende Leben. Wir umarmen
uns und geben Pfötchen. Dann erfahre ich, daß die beiden auf derselben Etage
wohnen, Zimmer 80 und 85. Und? Was gebe es zu tun?
„Nicht mehr allzuviel. Der Fall ist
praktisch unter Dach und Fach. Als ich’s gemerkt habe, war es schon zu spät, um
Sie zurückzupfeifen. Es müssen nur noch ein paar Fragen gestellt werden, und
zwar einem Mädchen namens Maud Fréval. Sie wird in einem Erziehungsheim in
Lourdes erzogen. Das kann Hélène übernehmen. Ich meine die Befragung. Die
richtige Arbeit für die richtige Frau...“
Ich teile den beiden den Stand meiner
Ermittlungen mit, und nach den üblichen Kommentaren erkläre ich Hélène, was sie
zu tun hat:
„Sie fahren nach Lourdes, um diese
Maud zu interviewen. Heutzutage sind die Erziehungsheime anders als früher. Sie
können wahrscheinlich ohne größere Schwierigkeiten mit dem Mädchen sprechen.
Was wir brauchen, sind Namen und eine Adresse: die des Privatclubs, in dem die
heimlichen Rendezvous stattgefunden haben. Hier, nehmen Sie das Geld. Damit
können Sie dem Mädchen die Zunge lösen, falls nötig. Tut mir leid, daß ich Sie
damit so überfalle, aber es eilt.“
Hélène mault ein wenig — der Form
halber — und macht sich auf den Weg.
Zavatter hat sich direkt am Bahnhof
die neueste Ausgabe des Echo gekauft. Gemeinsam suchen wir das, was über
die Tragödie
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