Wenn Tote schwarze Füße tragen
ist zwar sehr hoch, aber Hauspersonal ist im
Preis nicht inbegriffen. Allerdings brauche ich so etwas auch nicht. Ich kann
mein Bett sehr gut alleine machen. Und die Mahlzeiten nehme ich außerhalb ein.
Finden Sie nicht auch? Wenn es nur ein Telefon und einen Kühlschrank gibt, und
wenn das Badezimmer seine Funktion erfüllt... Wissen Sie, daß ich bis gestern
ebenfalls im Littoral gewohnt habe? Doch! Gestern konnte ich mir meinen
Traum erfüllen und diese Villa mieten... Hier linsen keine Pagen durchs
Schlüsselloch, und man kann besucht werden, von wem man will, ohne daß man an
einem neugierigen Portier vorbei muß... Aber Sie sagen ja gar nichts, Monsieur
Burma! Ich hatte Sie redseliger in Erinnerung...“
„Ich höre Ihnen zu“, erwidere ich
lächelnd. „Außerdem erstaunen Sie mich ein wenig. Haben Sie keine Angst, ganz
alleine hier in dieser großen Villa? Ich glaube, ein Hotelzimmer garantiert
mehr Sicherheit.“
„Nicht unbedingt“, sagt sie.
Die Frau nimmt mich auf den Arm, daß
es nur so eine Freude ist!
„Und wovor sollte ich denn Angst
haben?“
„Vor Männern, die einsame Frauen
überfallen, zum Beispiel“, sage ich. „Könnte es sein, Madame, daß Sie
vielleicht nicht ständig alleine sind?“
Sie geht nicht auf meine Frage ein.
Stattdessen holt sie uns etwas zu trinken. Wenig später haben wir beide ein
Glas in der Hand, und sie hat außerdem eine Zigarette im Mund. Ich lasse meine
Pfeife in der Tasche. Manchmal stört so ein Knochen zwischen den Zähnen. Wir
sitzen uns gegenüber, haben beide die Beine übereinandergeschlagen und sehen
uns an. Sie bewundert meine Socken, und ich eine kleine Portion ihrer nackten
Schenkel. Wir liegen beide auf der Lauer.
„Welchen Auftrag wollten Sie mir denn
nun erteilen?“ frage ich schließlich.
„Na ja...“
Sie stellt ihr Glas auf ein Tischchen
und spielt mit ihrem Feuerzeug made in Algeria.
„...Zuerst muß ich Ihnen etwas
beichten. Ich habe Sie angelogen, neulich auf der Straße nach Prades. Ich bin
spazierengefahren, das stimmt; aber ich mache hier keinen Urlaub, sondern bin
hier, um meinen... sagen wir, meinen Mann zu suchen. Allerdings ist er nicht
mein richtiger Mann.“
„Das macht nichts, Madame“, sage ich.
„Tun wir einfach so, als wär er’s. Monsieur Sigari ist also verschwunden, ja?“
„Ja. Wir wohnen in Marseille. Monsieur
Sigari ist Handelsreisender. Immer auf Achse. Wenn er unterwegs ist, ruft er
mich jeden Tag an. Am 2. Mai, einem Montag, ist er nach Montpellier gefahren.
Am Dienstag habe ich vergeblich auf seinen Anruf gewartet. Mittwoch ebenfalls.
Am Donnerstag dann habe ich im Hotel Princess angerufen, wo er
normalerweise absteigt. Da teilte man mir mit, er sei abgereist und habe ein
paar Dinge sowie eine unbezahlte Rechnung zurückgelassen. Ich machte mir
Sorgen, und am nächsten Tag habe ich einen Freund in Paris angerufen, um ihm
davon zu erzählen. Monsieur Mortaut ist ein Freund meines Mannes und ein
früherer Freund von mir, Sie verstehen... Das schockiert Sie doch nicht,
Monsieur Burma?“
„In keinster Weise! Ich finde das
sogar ganz prima!“
„Schön. Das beruhigt mich...“
Sie unterstreicht ihre Worte mit einem
Seufzer, der um ein Haar die Rose von ihrem Busen hüpfen läßt.
„...Ich hoffe von ganzem Herzen, daß
wir uns verstehen.“
„Wir werden uns sicher verstehen.
Machen Sie sich keine Sorgen... Erzählen Sie weiter.“
„Monsieur Mortaut erklärte sich
bereit, mir bei meiner Suche behilflich zu sein. Aber keiner von uns beiden ist
Detektiv. Was konnten wir tun, nachdem wir am Sonntag hier eingetroffen waren?
Wir sind ins Princess gegangen, um die offene Rechnung zu begleichen und
ein paar Auskünfte einzuholen. Zuerst dachte ich, daß er mich verlassen hätte.
Doch warum sollte er dann seine Kleider im Hotel lassen? Nein, ich glaube, ihm
ist etwas zugestoßen.“
„Ist Monsieur ein Mann, dem etwas zustoßen
kann?“
„Von Feinden weiß ich nichts, wenn es
das ist, was Sie damit meinen.“
„Womit handelsreiste er?“
„Wie bitte? ... Ach so, verstehe...
Sie haben eine Art, sich auszudrücken... Er verkauft Bücher.“
„Wertvolle Bücher?“
„Nein. Sonderangebote, Prix
Goncourt und solche Sachen.“
„Und wem verkaufte er die...Ware?“
„Buchhändlern, nehme ich an.“
„Nur wissen Sie nicht genau, welchen
Buchhändlern?“
„Eben! Dafür habe ich mich nie
interessiert. Monsieur Mortaut und ich waren in einigen Buchhandlungen hier in
Montpellier. Ohne Erfolg.
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