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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Leider mußte Monsieur Mortaut gestern abreisen,
obwohl er mir noch gerne weiter zur Seite gestanden hätte. Zufällig hatte er
den Artikel über Sie im Echo gelesen und mir geraten, mich an Sie zu
wenden. Die Idee gefiel mir, zumal ich Sie auf dem Foto wiedererkannt habe.
Entschuldigen Sie, aber Sie werden mich für eine dumme Gans halten…“
    Oh nein, da kann ich sie beruhigen!
    „...Aber bevor ich Sie anrief, mußte
ich einfach meiner Laune nachgehen und diese Villa hier mieten...“
    Das verstehe ich sehr gut, du
Zuckerpuppe! Auf diese Weise läufst du mir nur dann über den Weg, wenn du
willst... und zwar ganz zwanglos.
    „Tja“, sagt sie zum Abschluß und
breitet die Arme aus, so als wolle sie sich anbieten.
    „Tja“, gebe ich im gleichen Tonfall zurück.
„Wissen Sie, das Ganze ist einfach und kompliziert zugleich. Und es gibt nicht
grade haufenweise Anhaltspunkte...“
    Scheinbar mechanisch nehme ich das
Feuerzeug in die Hand, das sie auf das Tablett mit den Getränken gelegt hat.
    „Ein sehr hübsches Feuerzeug haben Sie
da“, stelle ich fest. „Ich mag diese Ornamente. Aus Algier, nicht wahr? Ein
Geschenk von Monsieur Sigari oder von Monsieur Mortaut vielleicht? Als Andenken
an einen Aufenthalt an Afrikas Gestaden?“
    „In welcher Beziehung...“
    Ihr Blick wird giftig.
    „Zu dem, worüber wir soeben gesprochen
haben? In keiner.“
    Ich lege das Feuerzeug wieder auf das
Tablett.
    „Was Monsieur Sigari und sein
Verschwinden betrifft, so rate ich Ihnen, zur Polizei zu gehen. Bedaure sehr,
aber ich glaube nicht, daß ich diesen Fall übernehmen kann.“
    Alles geschieht sehr schnell. Ich habe
den Kerl nicht hereinkommen hören. Er steht hinter mir, drückt mir den Lauf
seiner Waffe auf den Nacken und knurrt:
    „Oh, doch, Freundchen! Und ob du ihn
übernehmen kannst!“
    Gläser und Flaschen fallen von dem
Tablett und gehen zu Bruch. Die Blondine stürzt sich auf mich. Eine Wolke von
Parfüm hüllt mich ein. Bis jetzt habe ich nicht bemerkt, daß sie keinen
Büstenhalter trägt. Jetzt bemerke ich es. Sie hängt sich an mich, so daß mir
jede Bewegung unmöglich ist, und klaut mir meine Kanone aus dem
Schulterhalfter. Dann springt sie zurück, und ihr Komplize läuft um den Sessel,
in dem ich sitze, herum und stellt sich neben sie. Wie zu erwarten, ist es
Mortaut, der Hoteldieb.
    „Hübsch seht ihr aus, mit euren
Schießeisen in der Hand“, bemerke ich. „Wollt ihr noch lange so dastehen?“
    „So lange wie nötig“, knurrt Mortaut.
„Wir haben’s auf die charmante Tour versucht. Hat nicht geklappt. Aber wir
können auch anders!“
    „Mit anderen Worten, du willst mich
dazu zwingen, Sigari zu suchen, und mir auf Schritt und Tritt bei meinen
Ermittlungen folgen... mit der Knarre in der Hand, um mich zur Arbeit
anzutreiben? Also wirklich, Alter, ich hab euch für schlauer gehalten, euch
Ehemalige aus der Villa Djemila!“
    Er runzelt die Stirn.
    „Ich hab mir schon gedacht, daß du
über einiges Bescheid weißt. Warst du denn auch da? Ich hab dich damals gar
nicht gesehen...“
    „Ich war woanders. Es gab Lücken zu
füllen...“
    „Kann man wohl sagen! Diese
Dreckskerle von der O.A.S.!“
    „Erinnerst du dich an die drei barbouzes, die samt Wagen in die Luft gejagt wurden und bei lebendigem Leib verbrannt
sind? Wie Jeanne d’Arc!“
    „Oh, Scheiße, reden wir lieber nicht
davon.“
    „Und wovon sollen wir deiner Meinung
nach reden? Nun mach nicht so ein Gesicht, Mann! Wir müßten uns doch eigentlich
verstehen. Oder sind wir nicht alle hinter derselben Sache her?“
    „Gut, aber ich weiß trotzdem nicht,
wie weit ich dir vertrauen kann.“
    „Na, dann können wir ja bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag hier warten, ich in meinem Sessel, und ihr mit der Kanone
in der Hand! Dann wären alle deine Inszenierungen und schlauen Tricks für die
Katz gewesen.“
    „Du hast recht. Wir müssen miteinander
reden. He, Raymonde, in diesem Scheiß-Land schwitzt man wie’n Affe! Schlimmer
als in Algerien. Hol uns was zu trinken. Das Zeug hier ist ja alles verschüttet
worden.“
    Ohne zu antworten und ohne meine Waffe
aus der Hand zu legen, geht die Blondine hinaus, um Nachschub zu holen. Mortaut
und ich sehen uns schweigend an. Dann fragt er mich — so unter ehemaligen
Frontkämpfern, die glorreiche Erinnerungen heraufbeschwören — , welcher Gruppe
ich „da unten“ angehört hätte. Bevor ich ihm irgendein Märchen auftischen kann,
wird hinter ihm eine der Türen geöffnet. Mortaut dreht sich

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