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Wenn Wir Tiere Waeren

Titel: Wenn Wir Tiere Waeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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zückte meinen falschen Ausweis. Ein Postmann trat aus der geöffneten Tür, nahm meinen Ausweis und ging mit diesem in den hinteren Raum. Nach einer halben Minute kam er mit drei Paketen nach vorne. Er legte die Pakete auf den Tresen und ließ sich auf einem Formular den Empfang quittieren. Es öffnete sich die Eingangstür, ein Mann in Zivil trat ein. Ein zweiter Mann verließ den hinteren Raum und ging seitlich auf mich zu. Die Männer hielten mich fest und legten mir Handschellen an. Einer der Männer zeigte mir einen Polizeiausweis und sagte: Sie sind festgenommen. Der Postler nahm die mir schon ausgehändigten Pakete zurück und wollte sie in den hinteren Raum tragen. Einer der Polizisten trat an den Postler heran und sagte: Die Pakete nehmen wir mit. Der zweite Polizist fasste in meineHosentasche und holte meine Brieftasche heraus. Er suchte nach meinem falschen Ausweis und fand ihn rasch. Zum Zeichen, dass ich gehen sollte, gab er mir einen kleinen Schubser mit der Schulter. Die beiden Polizisten nahmen mich in die Mitte. Ich sagte nichts. Mit meinen Begleitern ging ich zum leeren Polizeiauto. Der größere der beiden Männer setzte sich mit mir nach hinten, der kleinere nahm hinter dem Steuer Platz und fuhr los. Der Polizist neben mir gab eine Meldung durch sein Funkgerät, die ich nicht verstand. Karin würde sich, sobald sie hörte, dass ich in einem Gefängnis einsaß, rasch von mir lösen. Damit wäre ich endgültig und wirklich aus dem Nachfolgeschatten von Michael Autz herausgetreten. Selbstverständlich würde Karin auch das Auto wieder an sich nehmen. Die Stelle bei Erlenbach & Wächter würde ich ebenfalls verlieren. Ich wäre, sozusagen auf einen Schlag, den Makel meines Gebrauchtlebens los. Das einzige Risiko sah ich in Maria. Sie würde bereit sein, in mir einen Unschuldigen zu sehen, sie würde mich bei der ersten Gelegenheit im Gefängnis besuchen, mich trösten, beruhigen und auf mich warten. Schwieriger würde es sein, gegenüber Karin meine Festnahme zu begründen. Ich sah aus dem fahrenden Polizeiauto hinaus. Wie die Leute draußen erlebte ich mich als einen Gefangenen. Es schien mir sicher, dass meine Haftzeit nicht übermäßig lange ausfallen konnte. Ich war ein Kleinbetrüger und sonst nichts. Was man an mir nicht verstehen würde, waren nicht meine Delikte, sondern dass ein Mensch wie ich sie begangen hatte. Ich hatte einen bürgerlichen Beruf, ich hatte einen festen Wohnsitz, ich war nicht vorbestraft. Zum Glück hatte ich einiges Geld auf dem Konto, so dass ich mir meine Entlassung nicht als Katastrophe vorstellen musste.
    Die beiden Polizisten redeten nicht. Nach etwa einer halben Stunde trafen wir vor dem Haupteingang des Landesgefängnisses ein. Eine hohe Stahltür öffnete sich, der Polizeiwagen fuhr in einen Innenhof. Erst als die Stahltür wieder geschlossen war, stiegen die beiden Polizisten aus dem Auto, verschwanden in einem Pförtnerhäuschen und telefonierten. Nach fünf Minuten verließen sie die Pförtnerloge, setzten sich in das Auto und fuhren mit mir zu einem roten Backsteinbau, an dessen Eingangstür mit weißen Schriftzeichen C 2 aufgemalt war. Die Tür zum Bau C 2 war verschlossen. Wir warteten im Auto, bis sich die Tür öffnete. Es erschien ein dürrer Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. An seinem Gürtel hing ein Schlüsselbund mit einer Handvoll Schlüsseln dran. Die Polizisten verließen das Auto und geleiteten mich zu dem Mann mit dem Schlüsselbund. Er führte mich ins Innere des Baus C 2 und verabschiedete sich knapp von den Polizisten. Zum ersten Mal sah ich, wie der Mann von seinen vielen Schlüsseln einen einzigen herausfingerte und hinter mir den Bau C 2 abschloss. Der Schließer führte mich ins Büro des Kalfaktors, das am anderen Ende des Flurs lag. Einige wenige Zellentüren waren geöffnet, einzelne Gefangene durften auf den Gang heraustreten und dabei zuschauen, wie ein Neuer eingeliefert wurde. Der Kalfaktor saß in der letzten Zelle links, die nur notdürftig als Büro eingerichtet war.
    Der Schließer verschwand, der Kalfaktor sagte, dass ich meine persönlichen Sachen auf den Tisch legen sollte. Ich kramte aus meinen Taschen einen Kugelschreiber, meine Brieftasche, ein bisschen Kleingeld, mein Schlüsselbund heraus und legte alles auf den Tisch.
    Und meine Brille?
    Die dürfen Sie behalten, sagte der Kalfaktor. Danachführte er mich in die Kleiderkammer, die nicht weit entfernt war. Auch der Kalfaktor hatte ein großes Schlüsselbund

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