Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
sich an die Arbeit. Um sich die Langeweile dabei ein wenig zu erleichtern, legte sie Tanzmusik auf und sortierte dann die Bücher und Videos. Der Karton mit den Küchenutensilien nahm weitaus weniger Zeit in Anspruch. Kein Wunder, ist auch nicht viel drin, dachte sie spöttisch. Zur Meisterköchin werde ich es wohl nie bringen.
Um Viertel vor neun seufzte sie befriedigt und verstaute den letzten leeren Karton im Wandschrank. Es braucht eine Menge Liebe, damit aus einem Haus ein Zuhause wird, überlegte sie. Glücklich ging sie von Zimmer zu Zimmer. Das Apartment wirkte endlich bewohnt.
Sie hatte Photos von ihrer Mutter, ihrem Stiefvater, ihren Stiefbrüdern und deren Familien aufgestellt, um sich ihnen näher zu fühlen. Ich werde euch vermissen, schoß es ihr durch den Kopf. Es war ihr nicht leichtgefallen, nach New York zu ziehen und zu wissen, daß sie ihre Eltern nicht mehr regelmäßig sehen und ihnen nur hin und wieder eine Stippvisite abstatten konnte. Ihre Mutter hatte Greenwich hinter sich gelassen. Sie sprach nie von ihrer Zeit dort, und als sie wieder geheiratet hatte, hatte sie Fran gedrängt, den Namen ihres Stiefvaters anzunehmen.
Aber das kam für Fran nicht in Frage.
Als sie mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zufrieden war, überlegte sie, ob sie zum Essen gehen sollte, entschied sich aber dann für ein überbackenes Käsesandwich. Sie verzehrte es an dem kleinen schmiedeeisernen Tisch am Küchenfenster und blickte dabei hinunter auf den East River.
Molly verbringt nach fünfeinhalb Jahren ihre erste Nacht zu Hause, dachte sie. Wenn ich mich mit ihr treffe, werde ich sie um eine Liste von Leuten bitten, mit denen ich reden kann und die auch bereit sind, mit mir zu sprechen. Außerdem habe ich selbst noch einige Fragen auf dem Herzen, und die haben nichts mit Molly zu tun.
Manche dieser Fragen beschäftigten sie schon seit langem. Über die vierhunderttausend Dollar, die ihr Vater unterschlagen hatte, gab es keinerlei Aufzeichnungen. Da er ein Faible für riskante Aktienspekulationen gehabt hatte, nahm man an, er habe das Geld auf diese Weise verspielt. Doch nach seinem Tod wurden keine Papiere gefunden, die belegten, daß er derartig hohe Investitionen getätigt hatte.
Als wir aus Greenwich wegzogen, war ich achtzehn, sagte sich Fran. Jetzt bin ich wieder hier, und ich werde viele Leute von früher aufsuchen. Ich werde mich bei den Menschen in Greenwich nach Molly und Gary Lasch erkundigen.
Sie stand auf und griff nach der Kaffeekanne. Beim Eingießen erinnerte sie sich an ihren Vater und daran, daß er der Verlockung eines heißen Tips nie hatte widerstehen können. Ihm war soviel daran gelegen, daß man ihm eine Mitgliedschaft im Country Club anbot, denn er wollte zu den Männern gehören, die regelmäßig miteinander Golf spielten.
Fran hatte zunehmend den Verdacht, daß etwas an der Sache nicht stimmte. Hatte ihr Vater den heißen Tip vielleicht von jemandem in Greenwich bekommen, auf den er Eindruck machen wollte? Hatte dieser Mensch ihren Vater zu der Dummheit verleitet, das Geld aus dem Bibliotheksfonds zu nehmen, es aber nie investiert?
9
W arum rufst du Molly denn nicht an?«
Jenna Whitehall betrachtete ihren Mann, der ihr am Tisch gegenübersaß. Sie trug eine bequeme, weite Seidenbluse und eine schwarze Seidenhose und war eine exotische Schönheit, ein Eindruck, den ihr dunkles Haar und die haselnußbraunen Augen noch verstärkten. Um sechs Uhr war sie nach Hause gekommen und hatte den Anrufbeantworter abgehört: keine Nachricht von Molly.
»Cal, du weißt, daß ich ihr auf Band gesprochen habe«, entgegnete sie, ohne sich ihre Gereiztheit anmerken zu lassen. »Wenn Sie Lust auf Besuch hätte, hätte sie mich längst zurückgerufen. Offenbar möchte sie heute abend lieber allein sein.«
»Ich begreife immer noch nicht, warum sie wieder in dieses Haus gezogen ist«, sagte er. »Wie kann sie das Arbeitszimmer betreten, ohne sich an die Mordnacht zu erinnern? Sie muß doch ständig daran denken, wie sie dem armen Gary mit der Skulptur den Schädel eingeschlagen hat. Ich würde mich dort gruseln.«
»Cal, wie oft habe ich dich jetzt schon gebeten, nicht darüber zu reden? Molly ist meine beste Freundin, und ich habe sie sehr gern. Sie weiß nicht mehr, was in der Mordnacht passiert ist.«
»Das behauptet sie wenigstens.«
»Und ich glaube ihr. Da sie nun wieder zu Hause ist, werde ich sie besuchen, wann immer sie mich braucht. Wenn sie nicht will, respektiere ich das. Okay?«
»Du
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