Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
das Wort: »Fran, ich hatte schon Angst, du könntest es dir anders überlegen. Ich war so überrascht, als ich dich gestern vor dem Gefängnis sah, und dein Auftritt in den Nachrichten gestern hat mich sehr beeindruckt. Das hat mich auf die verrückte Idee gebracht, dich um Hilfe zu bitten.«
»Warum hätte ich meine Meinung ändern sollen, Molly?« fragte Fran.
»Ich kenne die Sendung Wahre Verbrechen . Im Gefängnis war sie sehr beliebt, ich wußte also, daß sie sich kaum mit abgeschlossenen Fällen beschäftigt. Doch zum Glück waren meine Befürchtungen unbegründet. Fangen wir an. Mrs. Barry hat Kaffee gekocht. Möchtest du welchen?«
»Gerne.«
Gehorsam folgte Fran Molly nach rechts einen Flur entlang. Unterwegs gelang es ihr, einen Blick ins geschmackvoll, dezent und offenbar teuer möblierte Wohnzimmer zu werfen.
An der Tür zum Arbeitszimmer blieb Molly stehen. »Fran, das hier war Garys Arbeitszimmer. In diesem Raum wurde er gefunden. Mir ist gerade etwas eingefallen, und ich möchte es dir zeigen, bevor wir uns unterhalten.«
Sie trat ein und ging zum Sofa hinüber. »Garys Schreibtisch war hier«, erklärte sie. »Er zeigte aufs Fenster, was bedeutet, daß er der Tür den Rücken zuwandte. Angeblich bin ich hereingekommen, habe eine Skulptur von einem Beistelltisch genommen, der dort stand« – sie deutete auf eine Stelle, die jetzt leer war – »und habe Gary damit den Schädel eingeschlagen.«
»Und du hast dich auf eine Abmachung mit der Staatsanwaltschaft eingelassen, weil du und dein Anwalt glaubten, die Geschworenen würden dich möglicherweise des Mordes schuldig sprechen«, ergänzte Fran leise.
»Fran, stell dich dorthin, wo früher der Schreibtisch war. Ich gehe hinaus auf den Flur, mache die Eingangstür auf und schließe sie wieder. Dann rufe ich deinen Namen und komme zurück. Bitte, hab’ Geduld mit mir.«
Fran nickte und folgte der Aufforderung.
Da auf dem Flur kein Teppich lag, konnte sie Mollys Schritte deutlich hören. Kurz darauf rief Molly ihren Namen.
Sie will mir demonstrieren, daß Gary sie hätte bemerken müssen, wenn er noch gelebt hätte, dachte sie.
»Du hast mich doch gehört, oder?« fragte Molly, als sie wieder ins Zimmer trat.
»Ja.«
»Gary hat mich in Cape Cod angerufen und mich angefleht, ihm zu verzeihen. Ich war nicht in der Lage, mit ihm zu reden, und sagte, ich würde am Sonntag gegen acht nach Hause kommen. Ich war zwar ein wenig früh dran, aber sicher hat er auf mich gewartet. Wenn er mich gehört hätte, wäre er doch aufgestanden oder hätte sich wenigstens umgedreht, meinst du nicht? Warum hätte er so tun sollen, als wäre ich nicht vorhanden? Damals gab es in diesem Zimmer noch keinen Teppichboden. Auch wenn er nicht mitgekriegt hat, wie ich seinen Namen rief, hätte er mich hier drin bemerken müssen. Und dann hätte er mich angesehen. Das ist doch ganz normales menschliches Verhalten.«
»Was meint dein Anwalt zu dieser Theorie?« erkundigte sich Fran.
»Daß Gary vielleicht am Schreibtisch eingenickt ist. Philip befürchtete sogar, diese Version könnte gegen mich verwendet werden: Ich kam nach Hause und wurde wütend, weil Gary nicht aufgeregt auf mich wartete.« Molly zuckte die Achseln. »Gut, nun weißt du, was ich dir zeigen wollte. Jetzt kannst du deine Fragen stellen. Sollen wir hier bleiben, oder möchtest du dich lieber in ein anderes Zimmer setzen?«
»Das überlasse ich dir, Molly«, entgegnete Fran.
»Dann also hier. Am Tatort.« Mollys Tonfall war sachlich, und sie verzog keine Miene.
Sie nahmen auf dem Sofa Platz. Fran holte ihren Kassettenrecorder heraus und stellte ihn auf den Tisch. »Hoffentlich stört es dich nicht, daß ich unser Gespräch aufnehme.«
»Ich habe nichts anderes erwartet.«
»Eines will ich dir noch sagen, Molly. Ich kann dir nur mit meiner Sendung schaden, wenn ich zum Schluß behaupte, alle Beweise deuteten darauf hin, daß du trotz deiner Erinnerungslücken deinen Mann ermordet hast.«
Kurz stiegen Molly die Tränen in die Augen. »Es würde niemanden überraschen«, erwiderte sie tonlos. »Das glauben sowieso alle.«
»Falls es aber eine andere Erklärung gibt, Molly, kann ich dir nur helfen, wenn du absolut und in allen Dingen offen mit mir bist. Bitte rede nicht um den heißen Brei herum und suche keine Ausflüchte, selbst wenn dir meine Fragen noch so nahegehen.«
Molly nickte. »Nach fünfeinhalb Jahren Gefängnis weiß ich, wie es ist, keinerlei Privatsphäre zu haben. Wenn ich das
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