Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
willst.«
Er nickte. »Dich habe ich ja auch bekommen.«
Jenna drückte auf einen Knopf unter der Tischplatte, um das Hausmädchen zum Abräumen zu rufen. »Ja«, entgegnete sie leise. »Vermutlich ist das so.«
10
D er Verkehr auf der I-95 ist ja inzwischen fast so schlimm wie auf den Autobahnen in Kalifornien, dachte Fran, während sie angestrengt nach einer Möglichkeit Ausschau hielt, die Spur zu wechseln. Mittlerweile bereute sie, daß sie nicht den Merritt Parkway genommen hatte. Der Lastwagen vor ihr machte zwar einen Lärm wie ein Panzer, kam aber nur im Schneckentempo voran. Doch ärgerlicherweise gab es nirgendwo die Chance zu überholen.
Der Himmel hatte über Nacht aufgeklart. »Heute wird es teils heiter, teils wolkig mit gelegentlichen Schauern«, hatte der Wetterbericht von CBS, offenbar in der Absicht, sich nicht festzulegen, verkündet.
Also ist praktisch alles möglich, überlegte Fran. Dann aber wurde ihr klar, daß sie sich deshalb so mit dem Wetter und den Verkehrsverhältnissen beschäftigte, weil sie Angst vor dem Treffen hatte.
Mit jedem Kilometer, der sie Greenwich und Molly Lasch näher brachte, mußte Fran wieder an die Nacht denken, in der ihr Vater sich erschossen hatte. Sie wußte auch genau, warum. Denn sie würde auf dem Weg zu Mollys Haus direkt am Barley Arms vorbeikommen, dem Restaurant, in das ihr Vater sie und ihre Mutter zum letzten gemeinsamen Abendessen ausgeführt hatte.
Einzelheiten, die sie schon längst vergessen zu haben glaubte, kamen nun wieder hoch. Es waren unwichtige Details, die ihr aus irgendeinem Grund im Gedächtnis haften geblieben waren. Ihr fiel ein, daß ihr Vater eine blauschwarze Krawatte mit kleinen grünen Karos getragen hatte, die sehr teuer gewesen war. Ihre Mutter hatte ziemlich verärgert reagiert, als die Rechnung eintraf: »Ist das Ding mit Goldfäden genäht, Frank? Wie kann man für ein kleines Stück Stoff wie das da soviel Geld bezahlen?«
An jenem letzten Tag seines Lebens hatte er die Krawatte zum erstenmal umgebunden. Beim Essen hatte Mutter ihn auf den Arm genommen, er habe sie wohl für Frans Abschlußfeier aufgespart. War es ein symbolischer Akt gewesen, sich mit einem so sündhaft teuren Stück auszustaffieren, bevor man sich wegen finanzieller Sorgen umbrachte?
Sie näherte sich der Ausfahrt nach Greenwich. Fran verließ die I-95 und sagte sich wieder, daß es auf dem Merrit Parkway schneller gegangen wäre. Sie hielt Ausschau nach den kleinen Straßen, die drei Kilometer später durch das Viertel führen würden, in dem sie vier Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Obwohl es im Wagen warm war, schauderte sie unwillkürlich.
Vier Jahre, die mich geprägt haben, überlegte sie. Und das stimmte auch.
Als sie am Barley Arms vorbeifuhr, blickte sie entschlossen starr geradeaus und gestattete sich nicht einmal einen Blick auf den Parkplatz, wo ihr Vater sich auf dem Rücksitz des Familienautos erschossen hatte.
Auch um die Straße, in der sie mit ihren Eltern gelebt hatte, machte sie einen Bogen. Schließlich kann ich noch öfter herkommen, dachte sie. Kurz darauf hielt sie vor Mollys Haus, einem einstöckigen, elfenbeinfarben verputzten Gebäude mit dunkelbraunen Fensterläden.
Fran hatte noch den Finger auf dem Klingelknopf, als eine mollige Frau über Sechzig mit einem grauen Pagenkopf und wachsamen Vogelaugen auch schon die Tür öffnete. Fran kannte ihr Gesicht aus den Zeitungen. Es war Edna Barry, die Haushälterin, deren Aussage Molly so geschadet hatte. Warum ließ Molly sie wieder für sich arbeiten? Fran konnte sich das nicht erklären.
Während sie den Mantel auszog, hörte sie Schritte auf der Treppe. Molly kam herunter und eilte ihr entgegen, um sie zu begrüßen.
Die beiden Frauen musterten einander. Molly trug Jeans und eine blaue Bluse mit hochgekrempelten Ärmeln. Sie hatte das Haar lässig aufgesteckt, so daß ihr einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. Wie Fran schon vor dem Gefängnistor aufgefallen war, war Molly viel zu mager. Um ihre Augen zeigten sich die ersten Fältchen.
Fran, die sich für ihre Lieblingskombination, einen gut geschnittenen Hosenanzug mit Nadelstreifen entschieden hatte, fühlte sich plötzlich viel zu elegant. Dann aber hielt sie sich unwirsch vor Augen, daß sie schließlich hier war, um ihren Auftrag so gut wie möglich zu erledigen. Und deshalb konnte es nur von Nutzen sein, wenn nichts mehr an das schüchterne junge Mädchen aus ihrer Schulzeit erinnerte.
Molly ergriff als erste
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