Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
beweisen muß, daß ich ihn nicht getötet habe?«
Einige Minuten später verabschiedete sich Fran. Ihr Instinkt sagte ihr, daß Mollys Gefühlsausbruch ein Anzeichen dafür war, wieviel ihr daran lag, sich von dieser Schuld zu befreien. Die Sache ist gegessen, dachte Fran. Molly liebte ihren Mann und würde Himmel und Hölle
in Bewegung setzen, damit ihr jemand bestätigt, daß sie ihn möglicherweise doch nicht ermordet hat. Wahrscheinlich erinnert sie sich wirklich nicht mehr, aber ich bin sicher, daß sie es war. Es wäre verlorene Zeit und nichts als Geldverschwendung für NAF-TV, auch nur den leisesten Zweifel an ihrer Schuld aufkommen zu lassen.
Spontan machte sie auf der Fahrt zum Merrit Parkway einen kleinen Umweg, vorbei an der Lasch-Klinik. Der Vorläufer des Krankenhauses war von Jonathan Lasch, Garys Vater, gegründet worden. Hierher hatte man auch Frans Vater gebracht, und sieben Stunden später war er an seinen Schußverletzungen gestorben.
Zu ihrem Erstaunen war das Gelände der Klinik inzwischen doppelt so groß wie früher. Vor der Auffahrt zum Haupteingang stand eine Ampel. Fran nahm den Fuß vom Gas und ließ den Wagen ausrollen, bis die Ampel auf Rot sprang und sie halten mußte. Sie sah sich das Krankenhaus an und stellte fest, daß neue Gebäudeflügel hinzugefügt worden waren. Außerdem stand am rechten Rand des Grundstücks ein Neubau, und es gab mittlerweile auch ein Parkhaus.
Es versetzte ihr einen Stich, als sie nach dem Fenster des Zimmers Ausschau hielt, in dem sie auf Nachricht über den Zustand ihres Vaters gewartet hatte. Eigentlich hatte sie gewußt, daß alle Hilfe zu spät kam.
Sicher bieten sich hier gute Möglichkeiten, Gespräche anzuknüpfen, dachte sie. Die Ampel schaltete um, und fünf Minuten später erreichte Fran die Auffahrt zum Merritt Parkway. Während sie durch den rasch dahinfließenden Verkehr nach Süden fuhr, grübelte sie weiter: Gary Lasch hatte also mit Annamarie Scalli, einer jungen Krankenschwester, ein Verhältnis angefangen. Und dieser unvorsichtige Fehltritt hatte ihn das Leben gekostet.
Aber war das Mordmotiv wirklich in dieser Affäre zu suchen? schoß es ihr plötzlich durch den Kopf.
Auch wenn Dr. Lasch – wie ihr Vater – ein einziges Mal gegen die Regeln verstoßen hatte, galt er doch überall als aufrechter Bürger und guter Arzt, der sich dem Ziel verschrieben hatte, Menschen zu heilen – so kannten ihn die Leute, und so würden sie ihn im Gedächtnis behalten.
Aber vielleicht liegt die Sache ja auch ganz anders, überlegte Fran, als sie die Staatsgrenze zwischen Connecticut und New York überquerte. Schließlich bin ich schon so lange in diesem Geschäft, daß mich inzwischen fast nichts mehr überraschen kann.
11
N achdem Molly Fran Simmons hinaus begleitet hatte, kehrte sie ins Arbeitszimmer zurück. Um halb zwei steckte Edna Barry den Kopf zur Tür herein. »Molly, wenn Sie mich nicht mehr brauchen, würde ich jetzt nach Hause gehen.«
»Gut, Mrs. Barry. Vielen Dank.«
Zögernd blieb Mrs. Barry auf der Schwelle stehen. »Soll ich Ihnen vorher nicht doch etwas zum Mittagessen machen?«
»Ich habe wirklich keinen Hunger.«
Mollys Stimme klang gedämpft, und Edna sah ihr an, daß sie geweint hatte. Wieder wurde sie von den Schuldgefühlen und der Angst ergriffen, die sie nun schon seit sechs Jahren nicht mehr losließen. Oh, Gott, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel. Versteh mich doch. Ich konnte nicht anders.
In der Küche zog sie ihren Parka an und wickelte sich einen Schal um den Hals. Sie nahm ihren Schlüsselbund von der Anrichte. Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, schloß sie fest die Finger darum.
Knapp zwanzig Minuten später erreichte sie ihr bescheidenes Haus in Glenville. Wally, ihr dreißigjähriger Sohn, saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Als sie hereinkam, drehte er sich nicht einmal um, aber er schien ruhig zu sein. An manchen Tagen ist er so nervös, selbst wenn er seine Medikamente nimmt, dachte sie.
Wie zum Beispiel an jenem schrecklichen Sonntag, als Dr. Lasch gestorben war. Wally war so wütend gewesen. Dr. Lasch hatte ihn nämlich einige Tage zuvor angebrüllt, weil er das Arbeitszimmer betreten und die Remington-Skulptur angefaßt hatte.
Bei ihrer Aussage über die Ereignisse des folgenden Montag morgens hatte Edna Barry nämlich ein Detail ausgelassen: Der Schlüssel zum Haus der Laschs hatte sich nicht wie sonst an ihrem Schlüsselbund befunden. Deshalb hatte sie die Tür mit dem
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