Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
»Fenster ohne Gitter und eine Satinsteppdecke sind eben die beste Medizin«, entgegnete sie. »Sie wirken wahre Wunder.«
»Warte, bis du in Manhattan im Schönheitssalon warst. Was hast du heute sonst noch vor?« Molly überlegte, kam aber zu dem Schluß, daß sie ihre Nachforschungen in
Garys Terminkalendern nicht einmal Jenna anvertrauen wollte. Statt dessen wich sie lieber aus. »Da ich heute nun mal nicht darum herumkomme, die Gastgeberin zu spielen, muß ich noch ein paar Dinge vorbereiten. Es ist schon eine Ewigkeit her, daß ich das letztemal Gäste zum Essen hatte.«
Das stimmte sogar. Aber außerdem lagen Garys Terminkalender der letzten Jahre vor seinem Tod aufgestapelt auf dem Küchentisch. Molly hatte an seinem Todestag angefangen und arbeitete sich nun Seite für Seite und Zeile für Zeile nach rückwärts durch.
Sie erinnerte sich, daß Gary immer ausgebucht gewesen war und sich deshalb viele Notizen gemacht hatte. Auf einige dieser Gedächtnisstützen war sie bereits gestoßen: ›Molly um fünf im Club anrufen‹, hieß es da zum Beispiel.
Es versetzte ihr einen Stich, als sie daran dachte, daß er sie häufig angerufen und gefragt hatte: ›Warum steht in meinem Kalender, daß ich mich bei dir melden soll?‹
Um halb sechs, kurz bevor sie mit dem Tischdecken anfangen wollte, fand sie die gesuchte Notiz. Es war eine Telefonnummer, die sie auch in Garys letztem Terminkalender einige Male gesehen hatte. Als sie die Auskunft anrief, erfuhr sie, daß es sich bei der Vorwahl um die von Buffalo handelte.
Sie wählte die Nummer, und als eine Frau abhob, erkundigte sich Molly, ob Annamarie zu sprechen sei.
»Am Apparat«, entgegnete Annamarie Scalli leise.
30
N achdem Fran sich von Edna Barry verabschiedet hatte, beschloß sie, ein wenig durch Greenwich zu fahren und eine kleine Reise in die Vergangenheit zu machen. Diesmal war ihr Ziel der Stationhouse Pub, wo sie zu Mittag essen wollte. Früher haben wir uns hier vor dem Kino rasch mit einem Happen gestärkt, erinnerte sie sich wehmütig.
Fran bestellte Truthahn auf Roggenbrot, das Lieblingssandwich ihrer Mutter. Dann sah sie sich im Pub um. Ihre Mutter würde wahrscheinlich nie nach Greenwich zurückkehren, denn es war einfach zu schmerzlich. Im letzten Sommer, kurz nach dem Selbstmord ihres Vaters hatte die ganze Stadt Witze darüber gerissen, man solle den Bibliotheksfonds doch am besten gleich in Simmons-Fonds umbenennen. Ich fand das nicht sehr komisch, dachte Fran bedrückt.
Sie hatte überlegt, ob sie an dem Haus vorbeifahren sollte, in dem sie vier Jahre lang gewohnt hatten, war aber zu dem Schluß gekommen, daß es dafür noch zu früh war. Nicht heute, sagte sich Fran, während sie die Kellnerin heranwinkte, um zu zahlen.
Als Fran wieder zu Hause war, stellte sie fest, daß Philip Matthews Wort gehalten hatte. Beim Pförtner erwartete sie ein dickes Päckchen, das die vollständige Niederschrift des Prozesses gegen Molly Lasch enthielt.
Sehnsüchtig betrachtete sie das Paket und hätte sich am liebsten sofort an die Arbeit gemacht. Doch dafür war auch noch später Zeit. Zuvor hatte sie noch einiges zu erledigen: Lebensmittel einkaufen, Kleider von der Reinigung abholen und bei Bloomingdales Strumpfhosen und Make-up besorgen.
Um halb fünf hatte sie endlich ihre Einkäufe verstaut und sich eine Tasse Tee aufgebrüht. Sie ließ sich in ihren
gemütlichen Lehnsessel nieder, legte die Füße hoch und schlug die Akte auf.
Der Inhalt eignete sich nicht gerade als Bettlektüre, denn der Staatsanwalt hatte nichts beschönigt: Gibt es Hinweise auf einen Kampf? Nein … eine klaffende Wunde an Dr. Gary Laschs Hinterkopf … der Schädel wurde eingeschlagen … Er wurde getötet, als er am Schreibtisch saß und dem Täter den Rücken zukehrte … völlig wehrlos … Die Beweisaufnahme wird zeigen, daß sich Molly Laschs Fingerabdrücke, deutlich erkennbar und blutig, auf der Skulptur befanden und daß sie Gary Laschs Blut an Händen und Kleidung hatte … nichts deutete auf einen Einbruch hin …
Nichts deutete auf einen Einbruch hin, dachte Fran. Offenbar hat die Polizei die Türen also überprüft. Aber nirgendwo steht, daß sie nicht abgeschlossen waren. Hat Philip Matthews sich mit dieser Frage beschäftigt? Sie strich die entsprechende Passage mit gelbem Marker an.
Molly Lasch hat ihren Mann Gary Lasch nicht getötet . Allmählich glaube ich das auch, überlegte Fran. Gehen wir also einen Schritt weiter und nehmen wir an, daß
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