Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
Verdammt gut sah er aus in dem frischen weißen Hemd, das sich gegen seine dunkle Haut abhob.
»Nein, ist nur schlechte Luft da drin.« Sie hatte sich ihm halb zugewandt, schob die Brille höher. Ob er wohl eine Verabredung hat, überlegte sie, entschied dann aber, dass es sie eigentlich nichts anging.
Chris runzelte die Stirn, blickte zum Saloon hin, dann sah er wieder Jake an. Er hatte immer so ein eigenartiges Gefühl, wenn er den Jungen traf. Genau wie bei Mason, bevor er wusste, dass dieser in Wirklichkeit eine Frau war. Und es war Victorias verdammte Schuld, dass er jedes fremde Gesicht mit Misstrauen betrachtete.
Victoria steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte sie und ging dann schnell davon, Richtung Mietstall.
»Ich begleite dich«, rief Chris ihr nach und zwang Victoria dazu, ihren Schritt zu verlangsamen. »Ich brauche Caesar.« Er wollte sich in der Umgebung der Stadt umschauen und nach Mason Ausschau halten. Es würde seine Nervosität dämpfen, wenn er wusste, wo sie sich aufhielt. Er traute ihr immer noch nicht.
Victoria stemmte den Riegel der Tür hoch und öffnete sie. »Mr O'Brian ist schon nach Hause gegangen«, erklärte sie, denn alles war dunkel. Sie zählte ihre Schritte ab, als sie zu der Laterne ging. In den letzten B eid en Tagen war sie oft genug gestolpert. Sie tastete nach den Streichhölzern, um die Lampe anzuzünden, und hoffte, dass sie sich nicht die Finger versengte. Dann stellte sie die Flamme richtig ein und ging zu der Box, in der Caesar sich befand.
»Aufwachen, alter Junge!« Sie öffnete die niedrige Schwingtür. »Daddy ist da.«
Chris lachte. Er wusste, dass die Leute in der Stadt sich über ihn und sein Pferd lustig machten, aber das störte ihn wenig, denn Caesar hatte ihm schon mehr als einmal das Leben gerettet. Chris schnalzte mit der Zunge, und der Hengst schwenkte schnaubend den Kopf zu ihm. Dann kam er langsam aus der Box, doch statt zu Chris ging er zu Jake.
»Pass auf«, warnte Chris, denn der Hengst akzeptierte so schnell niemanden außer ihm und pflegte andere zur Begrüßung gern zu beißen.
Victoria starrte in die dunklen Augen des Tieres, wartete ab. Caesar schubste auffordernd ihre Schulter. »Ich hab aber nichts für dich«, flüsterte sie.
Christopher zog eine Augenbraue hoch, und Jake betrachtete angelegentlich den mit Stroh bedeckten Boden, während er sich am Arm kratzte.
»Ich habe ihm Zucker gegeben«, gestand er. Der Hengst begann Jakes Hut anzuknabbern. Der Junge versuchte ihn festzuhalten und sah das Tier böse an. »Geh nach Hause, du schwarzes Biest«, sagte er, dann eilte er zur Eingangstür, offensichtlich erpicht darauf, Herrn und Hengst loszuwerden. Chris schnalzte erneut mit der Zunge, und Caesar folgte ihm. An der Tür blieb Chris stehen.
Einen Moment lang befürchtete Victoria schon, dass er ihr Spiel jetzt durchschaut hätte. »Bezahlen Sie Mr O'Brian morgen Früh«, sagte sie, denn sie wollte nicht zugeben, dass sie mit dem Geld noch nicht ganz vertraut war.
»Wo übernachtest du eigentlich, Jake?«
Sie unterdrückte ein Stöhnen und wünschte, er würde endlich aufhören, die Rolle des besorgten väterlichen Freundes zu spielen, und verschwinden, damit sie sich wichtigeren Dingen zuwenden konnte. Wie zum Beispiel, diesen Hurensohn im Saloon gegenüber zu beobachten.
Jake deutete nach hinten in den Stall, und Chris konnte eine Bettrolle und einen Ledersack entdecken, die an der Wand lehnten. Der Junge ist verdammt zurückhaltend, dachte Chris und betrachtete Jake nachdenklich, seine glatte Haut und die strubbeligen hellblonden Haare. Er schätzte ihn auf höchstens neunzehn oder zwanzig. Außerdem brauchte Jake dringend ein Bad.
»Hier zu schlafen ist gefährlich, selbst für einen erwachsenen Mann.«
»Ich hab keine Angst, wenn Sie das meinen«, fuhr sie auf und hoffte, sie würde sich empört genug anhören. »Aber ich komme ganz bestimmt nicht zum Schlafen, wenn ich hier stehe und den Türöffner spiele.«
Chris lächelte, und dieses Lächeln ging Victoria durch und durch. Ihr Herz stolperte, um dann umso schneller weiterzuschlagen, und sie konnte nicht anders, sie musste das Lächeln erwidern. Doch sie wusste, dass er lediglich einen jungen Mann vor sich sah.
»Hab schon kapiert«, meinte er. »Nacht, mein Junge.«
Victoria schloss die Tür und schob den schweren Riegel vor, dann nahm sie die Öllampe und begab sich in den rückwärtigen Teil des Stalls. Die nächste halbe
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