Wer aaahh sagt...
gehen, geschweige denn, um zu beten.«
20
Meine erste Patientin am nächsten Morgen war Mrs. Gladwin. Sie war eine spröde, schlanke Blondine, trug eine einfarbige Bluse mit dunklem Rock und litt unter Angstzuständen, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Sie wollte mehr Valium.
Ich griff automatisch nach meinem Rezeptblock und fragte: »Fühlen Sie sich wirklich weniger ängstlich, seit Sie diese Kapseln nehmen?«
»Ich schon, aber mein Mann nicht. Es regt ihn ganz schön auf, daß ich höchstwahrscheinlich für den Rest meines Lebens von Beruhigungsmitteln abhängig sein werde. Außerdem werde ich nachmittags immer so schläfrig - Sie wissen doch, daß ich halbtags bei ihm als Rezeptionistin arbeite? Jedenfalls gähne ich den Kunden mitten ins Gesicht.«
Mr. Gladwin war Teilhaber eines alteingesessenen Churchforder Steuerberatungsbüros, dessen Räume über den Geschäften in der High Street lagen.
Ich fragte: »Sind Sie eine gute Christin?«
Sie sah mich verdutzt an. »Na, ja, ich bin kirchlich getraut worden.«
»Ich bin sicher, daß sich Ihr Zustand bessern würde, wenn Sie den Vikar von St. Alphege aufsuchten.«
»Was weiß er über meinen Zustand?« fragte sie scharf.
»Ihre Symptome lassen sich möglicherweise auf seelische Störungen zurückführen, Mrs. Gladwin.«
Sie holte tief Luft. »Fahren Sie fort!«
»Und wir alle wissen, daß das seelische Befinden sich auch auf den Körper auswirkt, nicht wahr?« Sie nickte und sah mich bestürzt an.
»Der Vikar ist vielleicht in der Lage, Sie mit einem verständnisvollen Gespräch zu beruhigen. Das würde Ihnen viele starke Tabletten ersparen, die Ihren Mann aufregen, einen schlechten Eindruck auf seine Klienten und der Regierung durch ihren hohen Preis Sorge machen.«
Sie wandte ein: »Aber das kann doch nicht richtig sein, wegen meiner Kopfschmerzen zum Vikar zu gehen!«
»Die Kirche beschäftigt sich schon seit undenklichen Zeiten mit solchen Dingen«, versicherte ich ihr. »Warum auch nicht? Vielleicht vollbringt der Vikar ein Wunder. Es kann auf keinen Fall schaden.«
»Ich glaube, es wird immerhin ein Zeitvertreib sein«, stimmte sie mir zweifelnd zu.
In dieser Nacht hatte ich begonnen, Reverend Ron Floods Angebot mehr Wohlwollen entgegenzubringen. Auf diese Weise könnten meine ermüdenden Patienten und ich uns einen Urlaub voneinander gönnen. Normalerweise bewerkstelligte ich dies, indem ich sie zu Walter Elmsworthy ins Krankenhaus schickte; aber im Gegensatz zu einem Psychiater kostet ein Geistlicher den Staatlichen Gesundheitsdienst überhaupt nichts. Und schließlich war der Vikar, genau wie ich, ein Profi. Der einzige Unterschied zwischen uns bestand darin, daß seine Arbeit durch den Tod eines Patienten nicht im geringsten behindert wurde.
Am nächsten Morgen kam Mrs. Vince in meine Sprechstunde. Sie war mollig, rothaarig, geschieden und Geschäftsführerin im Dingley Dell Coffee Shop in der High Street. Sie litt unter Angstzuständen, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Sie wollte mehr Valium.
»Können Sie die Dosis nicht erhöhen, Doktor?« fragte sie munter. »Ich mag das Zeug, ich mag es.«
Ich griff automatisch nach meinem Rezeptblock, dann aber zögerte ich.
Ich fragte: »Sind Sie eine gute Christin?«
»Wir haben eine Sammelbüchse für die Kinderhilfe.«
»Möchten Sie nicht einmal den Vikar von St. Alphege auf suchen?«
»Warum?«
»Diese Kapseln sind keine Schokoladenbonbons, wissen Sie. Sie wollen doch nicht für den Rest Ihres Lebens davon abhängig sein? Der Vikar könnte mit einem guten Gespräch unter vier Augen Ihren Problemen auf den Grund gehen.«
Sie schenkte mir ein träges, fragendes Lächeln. »Kann nicht behaupten, daß ich mit einem Vikar schon mal ein Gespräch unter vier Augen geführt hab.«
»Ich versichere Ihnen, daß die Kirche genauso erpicht darauf ist, das Leid in der Welt zu lindern, wie eine Kreditkartenfirma, den Menschen Geld zu leihen.«
»Man muß alles einmal ausprobieren«, lachte sie. »Und ich muß diese Kopfschmerzen einfach loswerden. Meine Freunde finden mich anscheinend furchtbar langweilig, wenn ich gerade welche habe.«
Nach der Sprechstunde schaute ich beim Krankenhaus vorbei, um die von mir angeforderten Laborbefunde über die Viren, die Jim Whynns Brust befallen hatten, abzuholen.
Auf dem Parkplatz sah ich meinen Patienten Syd Farthingale, Vertrauensmann des Verbandes für Angestellte im Gesundheitswesen, der dem Volk - einem armseligen Haufen von etwa zwölf Leuten,
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