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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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an.
    Er lächelte. »Die Leute offerieren einem Geistlichen immer Sherry, aber ich hätte lieber einen Whisky. Doktor, Sie und ich könnten zusammen in Churchford große Dinge vollbringen.«
    »Gut«, sagte ich.
    Sandra räumte die Einkäufe weg, um Reverend Ron Flood auf dem Sofa Platz zu machen. Er trug ein offenes rosa Hemd und Jeans und Sandalen wie die Apostel. Reverend Rumbold hatte zu jeder Jahreszeit denselben schweren dunklen Anzug mit dem steifen Kollar getragen, das im Laufe der Jahre unserer Bekanntschaft immer weicher und gelber wurde - wie seine Zähne.
    »Doktor, sind Sie praktizierender Christ?« fragte Reverend Ron Flood mich ernst.
    »Ich bin Voltairianer.«
    Er sah mich verwirrt an.
    »Wenn es keinen Gott gäbe, müßte man ihn erfinden«, zitierte ich. »Angenommen, wir hätten ihn erfunden. Würde das das geringste an unserem Verhalten, an unserer Verehrung oder dem Trost der Religion ändern? Ist es nicht egal, ob Gott die Welt erschaffen hat, oder ob sie durch einen enormen Zufall entstanden ist?«
    »Entschuldigen Sie, Doktor, aber ich bin nicht geneigt, tiefgründige theologische Diskussionen zu führen. Mein Vorgänger - ein konventionellerer Mann, als ich es bin - gab mir nur einen geistlichen Rat: Laß dich nie auf einen Streit über die Existenz Gottes ein.«
    Sandra fragte: »Fühlen Sie sich im Pfarrhaus wohl, Mr. Flood? Ich meine, so ganz allein?«
    »Alles bestens. Ich lebe so schlicht wie ein Goldfisch.« Eifrig wandte er sich wieder mir zu. »Ein Gedanke hat in mir Gestalt angenommen, seit ich entdeckt habe, daß wir Nachbarn sind; die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Medizin. Schließlich wäre sie historisch begründet. Jesus war ein Heiler.«
    Ich stimmte ihm zu: »Er hat gute Erfolge bei Leprakranken erzielt.«
    »Kennen Sie den Bischof von Hindchester?«
    »Den Gesundheitsapostel?«
    Er nickte lebhaft. »Er sagt, daß die Hälfte der Krankheiten, mit denen es ein praktischer Arzt zu tun hat, psychischer und nicht physischer Natur sind. Angst, Streß, Schuldgefühle und so weiter.«
    »Oh, da stimme ich Ihnen zu.«
    »Und das sind Probleme, denen der Arzt durchschnittlich nur ungefähr fünf Minuten seiner Zeit widmen kann.«
    »Ich bin völlig Ihrer Meinung.«
    Selbstbewußt fuhr er fort: »Warum sollte man solche Fälle nicht zum Vikar schicken? Ich bin sicher, daß ein ruhiges, befreiendes Gespräch mit mir die gleiche Wirkung hätte wie ein Beruhigungsmittel.«
    »Sie haben völlig recht«, sagte ich und stand auf, in der Hoffnung, daß ich ihn nun loswerden würde.
    »Möchten Sie noch einen Whisky, Mr. Flood?« fragte Sandra.
    »Wie liebenswürdig.«
    Als der Reverend nach dem zweiten Lagavulin ging, beschwerte sich Sandra: »Es hat lächerlich geschwollen geklungen, was du da mit diesem netten jungen Mann geredet hast.«
    »Jeder redet geschwollen, wenn er es mit Geistlichen oder Schuldirektoren zu tun hat. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
    »Jedenfalls neigen Arzte eher dazu, sich wie der liebe Gott zu benehmen, als an ihn zu glauben«, schimpfte sie.
    »Wo zwei Ärzte sind, sind zwei Atheisten. Das sagten bereits die alten Römer.«
    »Du glaubst nicht an Gott.«
    »Aber ja. Er ähnelt einem sehr anständigen, aber etwas mürrischen alten Golfclubmitglied mit Bart.«
    »Ich frage mich, warum der Vikar nicht verheiratet ist«, grübelte Sandra. »Er hat doch ein nettes Haus und einen guten Posten.«
    »Wie Jane Austen heute sagen würde: >Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein alleinstehender Mann mit einem anständigen Vermögen total andersrum sein muß.<«
    »Allmählich wirst du so hartherzig wie ein Verkehrspolizist«, sagte sie vorwurfsvoll. »Der Vikar hat sich so bemüht, hilfsbereit zu sein, und du hast ihn nicht im geringsten ermutigt.«
    Ich erklärte: »Wir Ärzte stehen schon von jeher der Kirche mißtrauisch gegenüber. Beide haben das bewundernswerte Ziel, die Menschen glücklich zu machen; aber während wir die Menschen so nehmen, wie sie sind, nimmt sie die Kirche, da sie natürlich immer ins Jenseits blickt, wie sie sein sollten.«
    »Siehst du!« rief Sandra aus. »Schon wieder redest du so geschwollen.«
    Ich entgegnete resigniert: »Das ist das bevorzugte Laster eines Mannes mittleren Alters. Im Gegensatz zu Eitelkeit, Bigotterie oder Gemeinheit löst es nur Gelächter aus.«
    »Warum schickst du nicht wirklich deine Neurotiker zu ihm?«
    »Mein Gott, wenn ich das täte! Der arme Kerl hätte nicht mehr genug Zeit, um aufs Klo zu

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